KREIS SPROTTAU -SAGAN ALT + NEU


   Studienrat Georg Steller,  1961-Detmold


GeI. Rückersdorf Kreis Sprottau
Die Geschichte des Ortes und seiner Kirche
V o n G e o r g S t e l l e r
Der Verfasser hat von 1933 bis 1940 die Geschichte von Rückers-
dorf, Kreis Sprottau, bearbeitet, über die bisher erschienenen Ver-
öffentlichungen über dieses Dorf usw. wird in den Anmerkungen
(Fußnoten) berichtet werden.
Der Ort Rückersdorf und seine Kirche sind aus mehreren Gründen
interessant. Das Dorf, ein Waldhufendorf, eine planvolle Rodungs-
siedlung um 1220/50 auf dem nordschlesischen Landrücken, war das
größte Dorf im Fürstentum Sagan. Auf seiner Flur wurde 1776 die
friderizianische Kolonie Reußenfeldau angelegt. Die Geschichte der
Rückersdorf er Kirche ähnelt bis 1654 der anderer westschlesischer
Kirchen, Aber von 1654 bis 1668 war das Gotteshaus eine Zufluchts-
kirche der Evangelischen im Glogauer Fürstentum und hatte zwei
Prediger. Da der Ort auch in der Gegenreformation rein evangelisch
blieb, wurde die Kirche 1844 der evangelischen Gemeinde zurück-
gegeben und diente — nach Abbruch des 1744 errichteten Bethau-
ses — seit 1905 dem Gottesdienst der rund 1000 Einwohner zählen-
den Gemeinde 1 .
1 Quellenangaben werden meist im Text in Klammern beigefügt. Fol-
g e n d e A b k ü r z u n g e n w e r d e n b e n u t z t : Cop. = Copial des
Landeshauptarchivs Dresden. HA. = Herzogl. Archiv Sagan (lag im BSA).
HB. = Sagan-Sprottauer Heimatbriefe (1956/12 = 1956 Heft Nr. 12). Hei. =
Arthur Heinrich, Gesch. des Fürstentums Sagan, I. Teil (Sagan 1911).
Jungnitz = Josef Jungnitz, Visitationsberichte des Archidiakonats Glogau
(Breslau 1907). R. == Rückersdorf.
Rep. = Repertorium des Breslauer Staatsarchivs (BSA). Schmaltz = Carl
Gottlob Schmaltz, Denkmal göttl. Gnade usw. beim Jubeltage der ev. Kirche
zu Rückersdorf am 4. August 1844 (Sagan 1844). 96 Seiten. Ein Exemplar liegt
bei der Heimatstelle Sprottau in Detmold.
1 Archiv 1
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1. Das Dorf von 1800 bis 1945
(Lage, Flur, Einwohnerzahl, Nachbardörfer)
Rückersdorf, benannt nach einem Ortsgründer Rüdiger (1273:
Rodgeri villa), liegt in Nordwestschlesien zwischen den Städten
Sagan, Sprottau und Freystadt. Von der Kirche Rückersdorf aus
gesehen, liegt S a g a n (1939: 20 441 Einw.) nach WSW 16 km,
S p r o t t a u (1939: 11 974 Einw.) nach S 11 km, F r e y s t a d t
(1939: 6671 Einw.) nach NNO 10 km2. Es gehörte um 1300 zum
Weichbild der Stadt Sagan, kam bei der Abspaltung des Saganer
Gebietes vom Fürstentum Glogau (1413) zum Fürstentum Sagan bzw.
seit 1741 zum Kreis Sagan. Schließlich wurde es bei der Kreis-

reform 1820 dem (Alt-)Kreis Sprottau angegliedert, da die Kreisstadt
Sprottau 5 km näher als Sagan lag. Im Eisenbahnverkehr lag der Ort
relativ ungünstig. Die 1911 eröffnete Kleinbahn Sprottau-Herwigs-
dorf-Grünberg hatte zwar eine Haltestelle in der Mitte von Rückers-
dorf, aber diese — um 1930 stillgelegte — Strecke hat niemals eine
gewisse Bedeutung gehabt3. Die beim Bahnhof gelegene Molkerei
war ursprünglich durch den Bahnbau bedingt. Wichtiger war der
Bahnhof Herwigsdorf (4 km von der Kirche Rückersdorf entfernt)
der 1890 erbauten Eisenbahnlinie Sagan—Freystadt.
Die Gemeindeflur gehört mit einer mittleren Seehöhe von 150 m
zum Nordschlesischen Landrücken und liegt auf der Wasserscheide
zwischen Bober und Oder. Der Girbigsbach, der in südlicher Rich-
tung zum Bober fließt, entspringt auf dem Mittelfelde des Kirch-
vorwerkes in Rückersdorf in 156 m NN. Am Südrand der Flur, an der
Wittgendorfer Grenze, ist die tiefste Stelle mit 136 m NN. Das Ge-
Schulz = Oswald Schulz, Aus der Gesch. v. R. (HB 1956/12, 1957/1). Der Verf.
hat diese Niederschrift überarbeitet u. veröffentlicht.
St. Gru. = Georg Steller, Grund- und Gutsherren in Fürstentum Sagan
(Sagan 1940).
St. Reg. = Georg Steller, Regesten Saganer Lehnsbriefe, 1400—1510.
Manuskript 65 S. im Landeshauptarchiv Dresden u. Bayrische Staats-
bibliothek München.2 Karte 1:100 000 Blatt 371. Meßtischblatt Hartau Nr. 2481, neue Nr. 4359.3 „1880/81 wurde die Dorfstraße chaussiert, um 1885 die Postagentur
eingerichtet, 1888 der erste Telefonanschluß, 1890 die Bahnlinie Sagan—Neu-
salz gebaut, 1900 die Chaussee R.—Hertwigswaldau und 1910 die Kleinbahn
Grünberg—Sprottau. Drainagekolonnen sorgten für Entwässerung der Fel-
der. Fast überall entstanden neue Gebäude. Schmiede, Bäcker, Tischler und
Kaufleute zogen in den Ort. Die Erträge der Landwirtschaft stiegen stetig.
Bessere Kulturgeräte, Maschinen, Kunstdünger, dazu Aufklärung durch
Presse und landwirtschaftliche Vereine bewirkten diesen Aufstieg. 1917 be-
kam R. Anschluß an das Elektrizitätsnetz.11 (Schulz).
2
lände steigt nach NO an und hat nahezu am Nordrand der Ge-
markung mit 168,2 m den höchsten Punkt. So liegt Rückersdorf auf
einer nach S geneigten Hochfläche. An der Westgrenze der Ge-
markung (145 m NN) entspringt der Zauche-Graben, der in südöst-
licher Richtung zur Sprotte fließt. Die Nordgrenze bildet eine Was-
serscheide, östlich davon — durch Großenborau — fließt der Großen-
borauer Bach zur Weißfurth, die bei Beuthen/Oder in die Oder
mündet. Dagegen entwässern die Hinterfelder an der NW-Grenze
(um 153 m NN) zum Briesnitz-Bach, der durch die Dörferzeile Her-
wigsdorf, Hertwigswaldau, Wachsdorf, Briesnitz fließt und südlich
Naumburg/Bober in den Bober mündet.
Über die Flur unterrichtet die nachstehende Tabelle nach den
Ergebnissen der Aufnahme über die landwirtschaftliche Bodenbe-
nutzung v. J. 18834:
Gemeinde Gutsbezirk Reußenfeldau
Fläche überhaupt
davon Ackerland
Wiese
Holzung
Grundsteuerreinertrag
pro ha (1905)
1616 ha
1141
130
226
17,45 Mark
638 ha
415
62
84
16,84 Mark
48 ha
39
1
4
20,86 Mark
Rückersdorf hatte im Jahre 1931 eine Flächengröße von 2311,0 ha
(rund 9060 preuß. Morgen) mit einem durchschnittlichen Grundsteuer-
reinertrag pro ha von 17,36 RM5. Dieser Betrag gehört zu den
höchsten Werten im Kreise Sprottau (zum Vergleich: Dittersbach
14,95 RM, Eckersdorf 17,65 RMf Hertwigswaldau 14,73 RM, Hirsch-
feldau 13,09 RM, Hartau 14,85 RM, Langheinersdorf 17,97 RM). Von
dieser Gesamtfläche entfielen im Jahre 1883 auf das Rittergut 27,8 °/o,
dagegen 1905 mit 342,4 ha nur noch 14,8%; denn das Rittergut
wurde 1875 in das Schloß- und Kirchvorwerk geteilt, von denen das
Kirchvorwerk 1898 in Konkurs ging und durch Abverkauf an Anlieger
auf zwei Restgüter verkleinert wurde. Von der Gesamtfläche entfielen
nach obigen Zahlen von 1883 auf das Ackerland 69,4%, auf die
Wiesen 8,3 %, auf die Holzung 13,7 % (der Rest von 8,6 % kam auf
4 Gemeindelexikon f. d. Kgr. Preußen auf Grund der Volkszählung vom
1. 12. 1885, Band VI, Prov. Schlesien, Berlin 1887 (vorhanden in Stadt- u.
Landesbibl. Düsseldorf).5 Gemeindelexikon f. d. Freistaat Preußen, Bd. VI, Prov. Niederschlesien
(Berlin 1933). Vorhanden in Wiesbaden.
1* 3
Ödländer, Wege, Hofräume). Der Wald, meist Kiefernbestand, war
nur noch am Ende der Hufenstreifen anzutreffen, vor allem an der
Grenze gegen Hartau-Langheinersdorf und im Norden.
Rückersdorf ist — wie die beigegebene Karte zeigt — ein W a l d -
h u f e n d o r f , dessen Dorfstraße von SW nach NO verläuft. Vor
allem im Mitteldorf, wo sich der Einfluß des Rittergutes am wenig-
sten zeigte, hat man mehr den Eindruck einer losen Anhäufung von
Gehöften, zwischen denen einzelne Häuslerstellen erscheinen. Der
Wohnform nach ist Rückersdorf ein doppelseitiges lockeres Reihen-
dorf mit der Länge von 4,5 km, wozu Reußenfeldau mit l3/4 km
kommt. Die ganze Dorfflur ist, ausgehend von der Dorfstraße,
senkrecht dazu in schmale, handtuchartige Streifen zerlegt. Jedes
Gehöft hatte in der Regel seinen Acker hinten heraus in einem
langen Streifen bis zur Hartau-Langheinersdorfer oder Hertwigs-
waldauer-Herwigsdorfer Grenze.
Das Waldhufendorf ist im Gebiet Naumburg a. B. — Sagan —
Sprottau (nördlich von Bober und Sprottebruch) zur vorherrschenden
Dorfform geworden. Da später gezeigt werden soll, daß diese Dör-
fer im Zeitraum von 1220 bis 1250 durch deutsche Bauern aus dem
alten Grenzwald gerodet wurden, wird hier eine Übersicht von fünf
Waldhufendörfern in Auswahl gegeben. Zwei Dörfer (Dittersbach
und Schönbrunn) liegen westlich von Rückersdorf, Gießmannsdorf
und Waltersdorf südöstlich von Rückersdorf. Die Tabelle bringt An-
gaben vom Jahre 1819 über die Verteilung der Stellen mit Angaben
v o n Einwohnerzahlen, Konfessionsverteilung und Gemarkungsgrö-
ßen. Die Tabelle zeigt, daß Rückersdorf das größte Waldhufendorf
war (nur wenig größer war das hier nicht aufgeführte Langheiners-
dorf)6.
Waldhufendörfer nördl. Sagan-Sprottau (1819)
Vw. = Vorwerke, B. = Bauern, G. = Gärtner, H. = Häusler
Vw. B. G. H. Einw. Einw. ha Hufen
Katholiken) 1939 1883 Um 1300
Dittersbach 4 34 44 52 853 (88) 927 2179 50
Schönbrunn 2 30 55 53 936 (922) 863 1702 50
Rückersdorf 4 40 71 91 1139 (3) 1004 2302 72
Gießmannsdorf 3 35 16 95 947 (11) 1150 1895 52
Waltersdorf — 41 9 84 894 (866) 1142 1683 ?
6 Angaben von 1819 nach J. C. Görlitz, Neueste... Beschr. d. Prov.
Schlesien, 2. Bd. (Glogau 1822) , vorh.. in Bayr. Staatsbibl. München, und
4
Rückersdorf hatte nach der Volkszählung vom 17. Mai 1939 1004
Einwohner7. Im 18. und 19. Jahrhundert lag die Einwohnerzahl um
1100 bis 1200. So geben Zimmermanns Beiträge für das Jahr 1787
1043 Personen an8: 1 ev. Kirche, 1 kath. Kirche, 2 Pfarr-, 2 Schul-
häuser, 1 herrschaftliches Wohnhaus mit einem Garten, 4 Vorwerke,
40 Bauern, 71 Gärtner, 54 Häusler, 1 Gemeinhaus, 4 Windmühlen,
1 Wassermühle9. Hinzu kam Reußenfeldau mit 20 Häusern und
80 Einwohnern. Knie10 verzeichnet für das Jahr 1840 205 Häuser,
1 Schloß, 4 Vorwerke, 1184 Einw. (davon 23 kath.), bei Reußenfeldau
20 Häuser mit 103 ev. Einw.
Topogr.-statist. Übersicht des Verwaltungsbez. d. Reg. zu Liegnitz (Liegnitz
1821), vorh. in Düsseldorf. — Bei Dittersbach sind eingerechnet das Hospital-
vorwerk, bei den Häuslern die 19 Häuser von Georgenruh (69 Einw., 6 kath.).
Bei R. sind die 22 Häuser von Reußenfeldau (95 Einw., keine Kath.) ein-
gerechnet. Abweichende Zahlen hat z. B. v. Arend, Beschr. d. Saganer
Kreises (Sagan 1815). — Die Hufenzahlen um 1300 nach dem Liber funda-
tionis, Codex XIV, 1889.
7 Statistik d. Deutsch. Reiches, Bd. 559,4 (Berlin 1943). Vorh. in Uni-
versitätsbibl. Köln.
8 Zimmermanns Beiträge Band VII, Brieg 1787, S. 109. Vorh. in Uni-
versitätsbibl. Göttingen.
9 Schon 1474 wurden in R. eine Windmühle und eine Wassermühle
erwähnt. Etwa 150 m südlidi vom Viehweg nach Hartau liegt eine Anhöhe
mit 165 m NN. Auf diesem „Kühn-Mühlenberg" standen zwei Windmühlen,
die der Gutsherr v. Knobelsdorff um 1680 erbaut haben dürfte. Am 23. 4. 1730
kaufte der Wassermüller Christoph Fiedler die beiden Bergwindmühlen
von Friedr. August v. Knobelsdorff. Im Besitz der Fiedler blieben beide
Mühlen bis nach 1850. Die letzte Windmühle hier wurde im Zeitraum 1920/30
abgebrochen. Auf dem Berge stand 1945 noch ein an Arbeiter vermietetes
Wohnhaus nebst Scheune und Ställe (Besitzer: Ernst Adam). Um 1750 wur-
den die beiden Windmühlen auf der nordwestlichen Dorfseite erbaut. Diese
beiden Mühlen waren bis 1945 im Besitz von Robert Lange und Erich Lange
und mahlten emsig noch im Sommer 1945 für die Polen. So hatte R. im
Zeitraum 1750/1900 vier Windmühlen. Am Ölteich — wenige Meter westl.
des Schloßvorwerks — war um 1700 eine Wassermühle, die bereits 1716
von den Fiedlers pachtweise betrieben und 1745 vom Windmüller Fiedler
gekauft wurde. Die Wassermühle am Ölteich wurde bis etwa 1910 nur noch
zum Schroten von Futtergetreide benutzt und dann später massiv zu einem
Familienwohnhaus für die Gutsarbeiter ausgebaut. Vgl. den Text zu Anm. 27.
Einzelheiten bei Steller, Die Wind- u. Wassermüller Fiedler in R. (HB 1957/3,
S. 18). Übrigens war das Fiedler-Gut (Nr. 75) rund 300 Jahre im Familien-
besitz. Christoph Fiedler, damals Hofmann auf dem Rittergut, kaufte das
Gut am 30. 5. 1669 von seinem Schwager Christoph Teige. Der letzte Be-
sitzer Adolf Fiedler wurde 1945 von den Sowjets erschossen.
10 I. G. Knie, Übersicht der Dörfer, Flecken, Städte usw. Schlesiens,
2. Aufl. Breslau 1845, S. 545, 564. Exempl. in Univ.-Bibl. Göttingen.
5
Die Volkszählungen von 1871 bis 1939 ergaben im einzelnen fol-
gende Werte11: (Zahlen in Klammern = Zahl der Katholiken).
Volkszählung Gemeinde Gutsbezirk Reußenfeldau
vom
1. 12. 1871
1. 12. 1885
2. 12. 1895
1. 12. 1905
16. 6. 1925
16. 6. 1933
17. 5. 1939
939 (0)
948 (4)
820 (3)
823 (15)
Gesamtzahl 1082
Gesamtzahl 1044
Gesamtzahl 1004
89 (3) 87
126 (5) 97
128 (12) 87
83 (2) 79
(32)
(keine Angabe)
(keine Angabe)
(0)
(0)
(0)
(0)
Gesamt
1115
1171
1035
985
(3)
(9)
(15)
(17)
Bis 1945 war Rückersdorf eine nahezu rein landwirtschaftliche Ge-
meinde geblieben. Im Jahre 1933 waren 73,5 % der Gesamtbevölke-
rung land- und forstwirtschaftlich tätig (zum Vergleich: Hirschfeldau
72,1 %, Wittgendorf 74,5 %, Gießmannsdorf 52,8 %, Waltersdorf
47,1 % ) . Im einzelnen verzeichnet die Volks- und Betriebszählung
vom 17. 5. 1939 folgende B e r u f s z u g e h ö r i g e der Wirtschafts-
abteilungen: Land- und Forstwirtschaft 697, der Industrie und des
Handwerks 147, des Handels und Verkehrs 22. Nach der S t e l l u n g
im B e r u f waren (mit ihren Angehörigen ohne Hauptberuf) 236
Selbständige, 244 mithelfende Familienangehörige, 29 Beamte und
Angestellte, 405 Arbeiter. Unter den B e t r i e b s g r ö ß e n der land-
wirtschaftlichen Stellen gab es 48 mit einer Betriebsfläche von 0,5 bis
5 ha, 44 mit Fläche 5 bis 10 ha, 14 mit Fläche 10 bis 14 ha, 32 mit
Fläche 20 bis 100 ha, 2 mit mehr als 100 ha.
In die Erbhofrolle waren 1940 46 Erbhöfe eingetragen. Von den
40 Bauerngütern waren 1940 sechs Güter länger als 200 Jahre im
Mannesstamm12. In der beigegebenen K a r t e — entworfen nach
dem Meßtischblatt, da die vom Verfasser früher nach den Kataster-
karten gezeichnete Flurkarte nicht mehr greifbar ist — wurden die
11 Die Gem. u. Gutsbez. d. Preuß. Staates u. ihre Bevölkerung nach der
Volkszähl. v. 1. 2. 1871, hgg. v. Kgl. stat. Bureau, Bd. V, Prov. Schlesien
(Berlin 1874). Vorh. in Köln. — Die übrigen Bände gab das Preuß. Statist.
Landesamt Berlin 1887, 1898, 1908, 1933 u. 1943 heraus. Einige Titel sind in
Anm. 4, 5 u. 7 näher angegeben. — Im Sept. 1928 wurden Gemeinde u.
Gutsbezirke zusammengelegt u. Reußenfeldau mit Wirkung v. 1. 4. 1929 in
R. eingegliedert. — Der derzeitige poln. Name für R. ist Siecieborzyce.12 G. Steller, Zwei Dorfstudien aus Westschlesien, Hartau u. Langh.
(Detmold 1961), S. 72, 73. — Vgl. Anm. 54.
6
Ländereien des Ritterguts um 1850 eingetragen: 1. Das Schloßvor-
werk im SW der Flur, zuletzt im Besitz der Familie Maetschke. 2. Das
Weinerei-Vorwerk, gebildet um 1620 aus drei Bauerngütern; es war
seit dieser Zeit mit dem Schloßvorwerk vereinigt. 3. Das Kirchvor-
werk (um 1300 die Scholtisei). Nach der Aufteilung 1898 blieb ein
Restgut von etwa 500 Morgen zurück, das von 1904 bis 1939 Karl
Kienitz besaß, zuletzt die Schles. Landgesellschaft. 4. Die Beckerei,
um 1635 aus drei Bauerngütern gebildet. Es kam bei der Teilung
des Ritterguts 1875 zum Kirchvorwerk (Rittergut Ober-Rückersdorf)
und wurde 1898 durch Verkäufe an Reußenfeldauer Besitzer ver-
kleinert. Das Restgut von 100 Morgen besaß von 1899 bis 1945
Krause. 5. Das ,, Wüste Gut" an der Wittgendorf er Grenze. Es kam
1716 zum Rittergut, blieb bei der Teilung 1875 beim Schloßvorwerk
und wurde um 1925 an Ansiedler gesiedelt. Die Karte zeigt weiter
die Kolonie Reußenfeldau (1776), die sechs Viehwege und die Wid-
mut mit zwei Hufen Größe13.
2. Das Dorf von 1250 bis 1600
(Deutschrechtliche Gründung, Scholtisei, Größe um 1520)
Bis zum Jahre 1380 wird Rückersdorf in vier Urkunden erwähnt,
die anschließend kurz aufgeführt werden. Alle weiteren Nachrichten
des 15. Jahrhunderts beziehen sich fast nur auf die Grund- und
Gutsherren und werden darum (in Auswahl) in Teil 3 berücksichtigt.
Dagegen besitzen wir aus dem 16. Jahrhundert zwei wichtige Ein-
wohnerlisten, nämlich ein Steuerverzeichnis von 1516/20 und ein
Urbar (Einkunftsverzeichnis) von 1595. Beide Listen geben uns rück-
schauend einen Einblick in das mittelalterliche Dorf.
a) 1273 Jan. 23. Breslau, im Kapitel. Bischof Thomas trägt dem
Kapitel zu Glogau auf, eine Anzahl Kleriker, die das Interdikt nicht
beobachtet haben, als exkommuniziert zu proklamieren, nämlich
Alberus de Sagan, Heinrich de Cosuchow (Freystadt), J o h a n n e s
de v i l l a R o d g e r i , Johannes de villa Ebrardi (Ebersdorf), Her-
mannus de Hart (Hartau), Hermannus de Cupra (Küpper) (SR 1421)14.
b) Um 1305. Iste sunt ville circum Saganum: Primo R ü c k e r s -
d o r f consuevit dare XV marcas et ½ fertonem et sunt in toto
13 Einzelheiten über die Widmut in Abschnitt 4.14 Im gedruckten Exemplar der Regesten steht ohne Deutung "Herm.
de Art", aber die Deutung war im Handexemplar des BSA nachgetragen.
Cupra deutet Matuszkiewicz mit Küpper bei Sprottau (HB 1959/4, S. ll),
doch ist eher an Küpper bei Sagan zu denken.
7
LXXII (72) mansi cum sculteto et plebano. (Liber fundationis, Codex
XIV, S. 146).
c) Vor März 1317. O. O. Heinrich, Bischof v. Breslau, überträgt,
nachdem er für die Pfarrkirche in v i 11 a R u g g e r i bei Freystadt
nach dem Tode des Priesters H. den S. auf Präsentation des Hein-
rich v. Biberstein, Herrn v. Sprottau, investiert und nachmals — als auf
der einen Seite die illustres principes (Piastenherzöge v. Glogau)
und auf der anderen Markgraf Johann v. Brandenburg auf das Pa-
tronat Ansprüche machten — einerseits B. andererseits H. präsentiert
worden, dem Offiziale die Entscheidung ohne Rücksicht auf die dem
B. auf dessen Ansuchen bereits gewährte Kommission. (SR 3672.
Aus dem Formelbuche Arnolds v. Protzan). Markgraf Johann v. Bran-
denburg, gest. 26. 3. 1317, hatte das Saganer Gebiet gegen eine
Geldsumme als Pfand inne und übte daher die landesherrlichen
Rechte in Rückersdorf aus.
d) 1376 Jan. 14. wird in einer Urk. des Kardinals Johann zu St.
Marcus in der sedes Vrienstatensis (im Freystädter Bezirk) die
ecclesia in R e n k i r s d o r f genannt (Heyne II 99. Hermann Neu-
ling, Schlesiens Kirchorte (Breslau 1902), S. 269).
Wir beginnen mit der d e u t s c h e n K o l o n i s a t i o n 1 5 des
Saganer und Sprottauer Raumes in der ersten Hälfte des 13. Jahr-
15 Das Sagan-Sprottauer Gebiet war in der Bronzezeit dicht besiedelt.
Eine Klimaänderung hatte den Wald zurückgehen lassen, u. die dort woh-
nenden Nord-Illyrier hielten die Siedlungsflächen waldfrei. Umfangreiche
Urnenfriedhöfe der Lausitzer Kultur (um 1200 v. Chr.) waren in den Meß-
tischbl. des Breslauer Landesamts eingetragen, z. B. in Cunzendorf u.
Schönbrunn. Schulz schreibt: „An der nach Hertwigswaldau führenden
Straße, kurz vor dem Vorderbusch, aber auf der Westseite, fand man Stein-
kistengräber; die meisten waren wohl schon zerstört. Zwischen hochkant
gestellten Feldsteinen und oben mit einem Steindeckel verschlossenem
kleinen Raum stand die kleine schmucklose Urne mit dem Leichenbrand.
In einem Falle wurde darin eine Bronzenadel gefunden. Viel jüngeren
Datums war eine Gesichtsurne, die unversehrt am Rotbusch gefunden wurde.
Diese war viel größer. Nicht der Urnenhals, sondern der Bauch der Urne
war zum Gesicht herausgeformt.11 Träger der sogen. Steinkistengräber u.
Gesichtsurnenkultur waren Frühgermanen (500—300 v. Chr.). Die Früh-
germanen gelangten von N her bis zur Mündung des Queis in den Bober
[Bolko Frhr. v. Richthofen in Karl Hausdorff, Unser Schlesien (Stuttgart 1954),
S. 16]. — Eine in Wittgendorf gefundene Gesichtsurne war in der Literatur
beschrieben. — Nach Bolko Frhr. v. Richthofen, Die ältere Bronzezeit in
Schlesien (Breslau 1926), S. 137, erwarb das Breslauer Museum für Vor-
geschichte 1918 aus dem Nachlaß des Rittergutsbesitzers Andrea (Herwigs-
dorf) eine unvollständige Spindelnadel und eine unverzierte Ösennadel des
Typus A, gefunden in R. unter einem 20 Fuhren großen Steinhaufen, offen-
bar aus einem Skelettgrab der II. Periode der Bronzezeit.
8
hunderts. Alle zuverlässigen Nachrichten verdanken wir dem Archiv
des Saganer Augustinerstifts (BSA, Rep. 116). Bei den grundherr-
lichen Dörfern, wie Rückersdorf, fehlen die Nachrichten. Daher müs-
sen die Abläufe der Ereignisse aus dem Zusammenhang erschlossen
werden.
Um 1220 setzte eine großzügige Siedlungstätigkeit am Westrande
des Saganer Gebietes ein16. Wenige Kilometer südsüdwestlich der
„neuen Burg" ( N a u m b u r g ) am Bober wurde um 1217 eine
A u g u s t i n e r - P r o p s t e i gegründet und mit Augustiner-Chor-
herren von Altenburg besetzt. Um 1219 beabsichtigte Herzog Hein-
rich I., dem Kloster 120 Hufen Wald zu schenken — unter der
selbstverständlichen Voraussetzung, daß sie in absehbarer Zeit in
ackerbares Bauernland umgewandelt werden. Da der Herzog die
Bedingung stellte, daß die Zehnten dieses Gebietes an das Kloster
fallen sollten, versagte ein Teil der Breslauer Domherren seine Zu-
stimmung. Daher wandten sich die Augustiner an den Papst Honorius
III., der am 26. April 1219 den Bischof und das Domkapitel in Breslau
mahnte, dem Naumburger Kloster die Zehnten von diesen Hufen ein-
mütig abzutreten, „damit nicht der Wald als Wildnis liegen bleibt"17.
Noch vor Weihnachten 1220 kamen Bischof und Domkapitel dieser
Mahnung nach, und am 19. Januar 1221 bestätigte Papst Honorius
den bischöflichen Zehntverzicht. „Die Urkunde bestätigt zunächst
den an sich als selbstverständlich zu erschließenden Zweck jener
Waldschenkung: Rodung der bis dahin unangebauten Teile der
Wildnis" (Schilling S. 238). In den nächsten Jahren, spätestens 1237,
legten hier die Augustiner das Waldhufendorf N e u w a l d a u mit
einer Feldmark von 50 großen Hufen an. Um 1237 wurde auf 50
weiteren Waldhufen das benachbarte Dorf R e i c h e n b a c h an-
gelegt, spricht doch eine spätere Augustinerurkunde (von 1261) da-
16 Man kann wörtlich übernehmen, was L. Radler in Archiv Bd. 19 (1961)
93 schreibt: „Um 1200 setzte eine großzügige Siedlungstätigkeit am West-
rande des Schweidnitzer Landes ein. Herzog Heinrich I. hatte sich ent-
schlossen, den Schutzwall gegen Böhmen, die sogenannte Preseka, die sich
an den Sudeten entlang zog, für die Besiedlung mit deutschen Bauern frei-
zugeben." Der Zug der Dreigräben bildete die Fortsetzung der Preseka.
Vgl. Anm. 22.
17 Die Urkunde ist abgedruckt bei K. Maleczynski, Codex diplomaticus
necnon epistolaris, Bd. 2 (Breslau 1959), S. 2298. — Abdruck u. Übersetzung
der Urk. bei Friedr. Schilling, Ursprung u. Frühzeit d. Deutschtums in
Schles. u. im Land Lebus. Forsch. zu den Urk. der Landnahmezeit (Leipzig
1938). Auf S. 235—241 wird hier „Die Landnahme der Augustiner u. deut-
schen Bauern in der Kastellanei Sagan" behandelt. Vgl. Steller, Die Grün-
dung v. Dittersbach um 1220 (HB 1957/2 S. 14) u. Dittersbach bei Sagan (Det-
mold 1959) S. 19.
9
von, daß Reichenbach vom alten Herzog Heinrich ausgesetzt wurde
(SR 1071). Auch das benachbarte B r i e s n i t z dürfte um 1250 vor-
handen gewesen sein, da es schon einige Zeit dem Breslauer Bistum
zehntpflichtig war, als Thomas I. 1261 — nach einem persönlichen
Besuch in Naumburg a. B. — den Zehnten der Propstei überließ
(SR 1087).
Die deutsche Landnahme im Gebiet der Kastellanei Sagan vor
1250 hatte noch einen z w e i t e n A u s g a n g s p u n k t . Dieser
Siedlungsvorgang — geleitet von privaten Lokatoren mit herzoglichen
Gerechtsamen — begann noch v o r der Rodungstätigkeit durch das
Naumburger Kloster. Das Dorf Neuwaldau wurde nämlich vom
Naumburger Propst Johannes nach dem Vorbild von D i t t e r s -
b a c h gegründet, wie eine Nachricht von 1294 bezeugt (SR 2306).
Bei Neugründungen und Rechtsverleihungen stellte man damals gern
die Rechtsverhältnisse und Gewohnheiten eines schon bestehenden
Systems als Muster hin. So begann die Landnahme im Saganer
Raum in den alten Grenzwäldern um 1220 am Bober und schritt
planmäßig auf die Wälder nördlich des Sprottebruches zu.
Bevor wir auf Rückersdorf eingehen, sei noch ein Hinweis auf die
beiden Dörfer S c h ö n b r u n n und W a l t e r s d o r f gestattet,
beides Waldhufendörfer wie Rückersdorf.
S c h ö n b r u n n dürfte als Nachbardorf von Dittersbach bald
nach 1220 ausgesetzt worden sein. Um 1250 ging es durch einen
Schenkungsakt in den Besitz des Augustinerstiftes Naumburg a. B.
über, so daß der Breslauer Bischof Thomas I. 1257 dem Kloster die
Zehnten des Dorfes übereignete (SR 981). Leider trägt die Urkunde
keine Jahreszahl, so daß man sich auf einen späteren Dorsalvermerk
verlassen muß. Da aber über Schönbrunn zwei Urkunden von 1263
vorhanden sind (SR 1152 und 1165), die das Dorf im Besitz der Augu-
stiner zeigen, kann die Urkunde (SR 981) nur in die Jahre 1250/63
datiert werden. Das von einem adligen (?) Lokator gegründete Dorf
wurde um diese Zeit dem Kloster geschenkt, doch hielt man es in
dieser Zeit nicht für notwendig, den Schenkungsakt durch eine vom
Piastenherzog ausgestellte Urkunde bestätigen zu lassen. Um 1320
war es anders. Deshalb schloß das Augustinerstift (seit 1284 in
Sagan) am 9. 9. 1326 formell einen neuen Kaufvertrag mit Johannes
v. Kelbichen auf Dittersbach über das Dorf Schönbrunn, das es tat-
sächlich schon rund 70 Jahre besaß (SR 4566).
Ähnliche Vorgänge haben wir bei W a l t e r s d o r f anzunehmen.
Dieses rein katholische Dorf war bis zur Säkularisation 1810 im Be-
sitz des Glogauer Domkapitels. So gehörte „villa Waltheri cum
10
omni jure" 1580 der Kollegiatkirche in Glogau, und zwar der Präla-
tur „Scholasteria", deren damaliger Inhaber Marcus Frhr. v. Kittlitz
war (Jungnitz 2). Aber über die früheren Jahrhunderte schweigen die
Quellen. Daß Waltersdorf im Breslauer Bistumsverzeichnis um 1305
fehlt, ist nicht verwunderlich, da es damals schon der Glogauer
Kirche gehörte18. Befremden muß es aber, daß in den schlesischen
Regesten bis 1342 keine einzige Urkunde über Waltersdorf vor-
handen ist! Da das Glogauer Kollegiatstift ein reichhaltiges Archiv
hatte, das bis 1253 (deutschrechtliche Umsetzung von Glogau, SR
856), 1255 (Schenkung von Steudelwitz, SR 888 usw.) zurückreicht,
bleibt nur der gleiche Schluß wie bei Schönbrunn übrig: Die Glo-
gauer Kirche erwarb das Dorf Waltersdorf bereits um 1250, als man
private Schenkungen und Stiftungen noch nicht urkundlich fixierte.
Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darf man annehmen, daß die
Waldgebiete nördlich Sprottau und des Sprottebruches bereits um
1250 von deutschen Bauern gerodet wurden.
Rückersdorf gehörte diesem breiten Streifen der Waldhufendörfer
an. Die Nachricht von 1273, nach der u. a. die Dorfpfarrer von
Küpper bei Sagan, Rückersdorf, Hartau und Ebersdorf das bischöf-
liche Verbot, im Streit mit dem Glogauer Herzog alle gottesdienst-
lichen Handlungen einzustellen, nicht beachtet hatten, bestätigt nur,
daß wir im Gebiet Sagan-Sprottau voll ausgebaute Kirchensysteme
vor uns haben. Zu dieser Zeit (1273) waren die großen Waldflächen
des Grenzwaldes in ackerbares Bauernland verwandelt, und man
ging jetzt daran, die alten kleinen slawischen Siedlungen im Frey-
stadt und Sprottau — am Bober und an der Sprotte — nach deutschem
Recht umzusetzen. Die einzige Urkunde dieser Art haben auch die
Saganer Augustiner überliefert: Am 8. 2. 1267 gestattete Herzog
Konrad von Glogau seinem Kaplan Crisan, Pfarrer der Stephans-
kirche in Beuthen a. O., die Aussetzung des Dorfes Conovo (Kuh-
nau, 8 km nordöstlich von Rückersdorf) nach deutschem Rechte und
befreite dessen Einwohner von allen Ansprüchen der herzoglichen
Beamten (SR 1261). K u h n a u (Kr. Freystadt) ist — wie die meisten
dieser umgesetzten slawischen Dörfer — ein Straßendorf19.
18 Beim Nachbardorf Gießmannsdorf heißt es im Liber fundationis, S. 150:
„Item Goswini villa consuevit solvere X marcas et sunt LII mansi cum I
allodio dominoram." Diese Formulierung entspricht genau der von R. Als
dann später, am 17. 9. 1305, der Gießmannsdorfer Zins an die Glogauer
Kollegiatkirche kam (SR 2859, 2860), fügte man hinzu „Est custodis Glogo-
viensis." Das ist ein Beweis dafür, daß das Glogauer Register v o r 1305
abgefaßt wurde.19 Einen Rundling findet man im Dorfbild von Niederleschen (1260 Lesin
SR 1067). Wiedergabe nach der Flurkarte v. 1831 in HB 1960/10 S. 17.
11
Gewissermaßen als Abschluß dieser Rodungstätigkeit und Grün-
dung der Waldhufendörfer von Dittersbach bis Waltersdorf wurde
noch vor 1260 — wohl bald nach 1253, wie die Stadt Glogau — nach
Saganer Vorbild von Herzog Konrad auf dem Boden einer herzog-
lichen Domäne neben einem bereits bestehenden slawischen Markt
die deutsche Stadt S p r o t t a u angelegt20. Den Namen hatte diese
Siedlung von der Sprotte, dem „stinkenden Flusse" (slawisch smrod
= Gestank) übernommen21.
Es braucht nicht angenommen zu werden, daß die Waldhufen-
dörfer um 1250 schon völlig besetzt waren. Die Flurform läßt ja die
Möglichkeit zu, mit der Rodung an einem Ende zu beginnen und
das Dorf dann weiter in den Grenzwald vorzutreiben. In Rückers-
dorf begann man von Südwesten her. Da die Saganer Kastellanei
— und etwa ab 1235 die Stadt Sagan — der Verwaltungsmittelpunkt
war, war dies geboten. Daher kommt es auch, daß die Dorfkirche
nur 1½ km von der Südgrenze entfernt ist, während bis zur Nord-
ostgrenze noch eine Strecke von 4½ km zurückzulegen ist. Auch
mögen die Wasserverhältnisse im Niederdorf günstiger gewesen
sein. Jedenfalls blieben die Waldflächen im nördlichen Dorfteil
vorerst ungerodet und unbesiedelt. Später wurden diese „Über-
scharäcker" von Bauern des Oberdorfes zu ihrem Gehöft zusätzlich
erworben. So kam es, daß 1945 viele Ackerstreifen im nördlichen
Dorf abseits von den Gehöften lagen.
Die Ost- und Nordgrenze der Gemarkung von Rückersdorf fällt
mit dem Zug der D r e i g r ä b e n zusammen, einer alten mit Baum-
palisaden befestigten Wallanlage. Felix Matuszkiewicz hat bis zu
seinem Tode (1956) die Auffassung vertreten, die er schon 1907 in
einem Aufsatz zum Ausdruck gebracht hat22, daß die Dreigräben
und die Grenzwälder, in denen ursprünglich jede Rodung verboten
war, von den Polen zum Schutze der schlesischen Westgrenze (gegen
Angreifer von Westen und Südwesten) angelegt bzw. gehegt wurden.
Nach 1200 wurde gerade diese Zone der Grenzwälder zur Besied-
lung an deutsche Bauern aus dem Westen freigegeben. Auf Rückers-
20 F. Matuszkiewicz, Älteste Urk. über die Stadt Sprottau v. 1260 (HB
1959/4 S. 9). Unbedingt abzulehnen ist es, wenn Matuszkiewicz behauptet,
daß 1260 die Dörfer Ebersdorf und Waltersdorf zum Sprottauer Kirchspiel
gehört haben (davon sagt SR 1067 nichts) u. in der Folgezeit abgetrennt u.
zu selbständigen Pfarrkirchen erhoben wurden.
21 Steller, W a s bedeutet der Name Sprottau? (HB 1956/8 S. 10.)
2 2 Steht die mittelalterl. Preseka zu den niederschles. Dreigräben in
Beziehung? (Zeitschrift 41, 1907, S. 392—401.) Vgl. Steller, Dr. Matuszkiewicz
u. Dreigräben (HB 1957/4 S. 2).
12
dorfer Flur hat sich keine Spur der Dreigräben erhalten, wenn auch
ein Flurname an der Wittgendorf-Hartauer Grenze lebendig geblie-
ben war. Bedeutende Reste waren um 1940 noch an der Nordgrenze
von Wachsdorf erhalten, doch brachten Grabungen nach 1930 keine
neuen Deutungen.
Die Nachricht von 1305 in Liber fundationis zeigt uns das Dorf in
voller Größe. Mit 72 Hufen überragte es die meisten Waldhufen-
dörfer (nur Langheinersdorf hatte nach dem Liber fundationis etwa
75 Hufen). Die fränkische Hufe hatte nach Meitzen (Codex IV S. 76)
eine Größe von 130 bis 140 preuß. Morgen. Auf den gleichen Wert
kommt man bei Rückersdorf, wenn man die Gesamtfläche (1883:
2302 ha, 1931: 2311 ha) durch 72 teilt. Dann kommen auf die Hufe
32 ha oder rund 125,5 preuß. Morgen23. Ein Hufenregister vom Jahre
1625 gibt bei Rückersdorf 58 Hufen 10 Ruten an; vermutlich waren
das nur die Bauernhufen ohne Rittergut (BSA Rep. 37 VIII 1 a).
Erwähnt werden 1305 die S c h o l t i s e i und die W i d m u t ,
deren Vorhandensein als Kennzeichen des deutschen Rechts angese-
hen werden. Jede Hufe gab in der Regel ¼ Mark als Dezem an die
Kirche ab, so daß 60½ Hufen abgabepflichtig waren. Zu den rest-
lichen 11½ Hufen gehörten die Widmut (2 Hufen), die Scholtisei
(wohl 2½ Hufen); ferner hatte der Scholze als Entschädigung für die
Lokatorentätigkeit einen Teil der ausgesetzten Hufen — in der Regel
die 6. bis 10. — frei von Zins und Zehnt. Das wären dann 7 Hufen.
Die Scholtisei ist in Rückersdorf sehr zeitig verschwunden. Zwar
wird im Steuerregister von 1516/20 noch die „Scholczerey" erwähnt,
aber es gab in Rückersdorf damals vier Bauerngüter, die genau so
viel versteuerten, und vier Güter versteuerten noch mehr. Das Schol-
zenamt (d. h. der Vorsitz im Dorfgericht) war auf einen Bauern
übergegangen und lag nicht mehr auf einer Stelle fest. Nach der
Flurkarte muß man die Scholtisei in dem „Kirchvorwerk" suchen. Wie
in Abschnitt 3 gezeigt wird, hatten die Herren von Knobelsdorff
schon 1393 bzw. 1405 auf dem Kirchvorwerk ihren Wohnsitz. Dem-
nach wurde die Scholtisei schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts
ausgekauft und in ein adliges Vorwerk verwandelt.
23 Nach v. Loesch betrug die fränkische Hufe 24,19 ha bis 27,52 ha (Zeit-
schrift 63, 33 f.). — Bei der Untersuchung der Dorfstellen in R. konnte der
Verfasser bei jedem Bauerngut Hufenangaben u. Größe in ha vergleichen.
Da ergab sich im Durchschnitt für die Hufe 110 Morgen. Man muß allerdings
bedenken, daß die Dorfaue früher Gemeindebesitz war, später von den
Gutsherrn beansprucht wurde und erst nach 1600 zu den Gehöften der
Bauern kam. Im Nachbardorf Langheinersdorf-Neudorf wurde 1604 das
Auenrecht verkauft, in Wittgendorf 1617 (Codex 31, 1925, S. 12).
13
Wir gehen noch kurz der Frage nach der H e r k u n f t d e r
d e u t s c h e n S i e d l e r nach. Als Herkunftsgebiet werden die
Mark Meißen, Thüringen und die Oberlausitz (zwischen Görlitz und
Bautzen) angenommen, über die Herkunft der Siedler und der
Grundherren bemüht sich die Siedlungsforschung seit langem24. Das
auf Rückersdorf mindestens seit 1393 (bis 1736) ansässige Geschlecht
v o n K n o b e l s d o r f f trägt seinen Namen nach den Dörfern Kno-
belsdorf bei Meißen oder bei Döbeln/Sa. Es erscheint in den Sa-
ganer Urkunden bereits 1299, 1303 und 1306 mit einem Otto von
Cnobolochisdorp bzw. Cnowlodistorph (SR 2537, 2758, 2994). In der
Urkunde vom 16. 1. 1299 zu Lüben (SR 2537) war er Zeuge, als der
Frau Christina, Witwe des Johannes Ponecow, 73/4 Hufen im Dorfe
Hersvelde (Hirschfeldau, Nachbarort von Rückersdorf) als Leib-
gedinge übergeben wurden. „Wenn 1299 Johann v o n P o n i c k a u
in Hirschfeldau bei Sagan stirbt, so wird er diesem Dorfe den Namen
seines Dorfes Hirschfeld bei Ponickau, nordöstlich Meißen, gegeben
haben, obwohl in dem Bautzener Lande es noch zwei andere Hirsch-
felde gibt" (Zobel 161). Die Herren v o n P r o m n i t z , von denen die
Wachsdorfer und Hirschfeldauer Linie seit mindestens 1439 in Ober-
Rückersdorf einen Zinsanteil besaß und schon 1305 Jacob von
Weichau = von Promnitz25 zwei Hufen in Wachsdorf sein eigen
nannte (Codex XIV S. 57, 149), führen ihren Namen nach dem Dorfe
Promnitz bei Riesa/Elbe. Die Herren v o n D o b e r s c h ü t z (Dob-
schütz), die vor 1406 in Rückersdorf ansässig waren und vermutlich
vor 1400 das Schloßvorwerk besaßen, nennen sich nach Doberschütz
bei Kamenz/Sa. oder nach Dobernschütz Kreis Eilenburg Bz. Leip-
zig. Mit den adligen namengebenden Herren als Lokatoren mögen
deutsche Bauern aus der Mark Meißen und Thüringen gekommen
sein, entstammend aus jener ersten Staffel der deutschen Besiedlung
in der Mark Meißen, die sich bis an die „Wendenbarriere" im
Bautzener Lande erstreckte. Bei dieser „Binnensiedlung" (Zobel 158)
wanderten die Ortsnamen von Westen nach Osten. Zusammen-
setzungen mit Rüdiger-, Rückers- usw. sind aber so häufig, daß sich
aus ihrem Auftreten keine sicheren Schlüsse ziehen lassen. Es ist aber
24 Arthur Zobel, Ortsnamenübertragung im Zuge d. deutschen Besiedl.
Schles. im Mittelalter (Jahrb. f. Volkskunde d. Heimatvertriebenen IV, 1958,
S. 148—162).
2 5 Der Nachweis v. Weichau = v. Promnitz b e i Steller, Dittersbach bei
S a g a n (Detmold 1959) S. 22, 23. — Ein Otto v. Knobelsdorff v e r t r a t die Stadt
S a g a n am 10. 1. 1373 bei einer Grenzberichtigung an der Tschirne bei
S a g a n (Script. rer. Sil 1 198). Vermutl. saß Otto v. Knobelsdorff um 1300
schon auf Hirschfeldau. Urkundlich erscheinen die v. Knobelsdorff auf Hirsch-
feldau erst 1393 (Hei. 37).
14
doch recht eigenartig, daß unser Rückersdorf an Hirschfeldau und
Herwigsdorf grenzt und diese drei Dörfer als Nachbarorte auch
nördlich von Zittau anzutreffen sind (am bekanntesten ist von ihnen
Hirschfelde durch sein elektrisches Kraftwerk).
Für das Waldhufendorf sind die V i e h w e g e typisch. Auf ihnen
wurde das Vieh auf die Brache in den Mittel- und Hinterfeldern
getrieben, wenn diese nach der Vorschrift der Dreifelderwirtschaft
unbesät liegen blieben. Rückersdorf hatte, wie die Karte zeigt, auf
der westlichen und östlichen Dorfseite je drei Viehwege. Die Kirche
besaß von alters her das Recht, diese Viehwege zu besäen (z. B.
wenn die Brache im Vorderfeld lag). Gegen die Dorfstraße waren
die Viehwege durch Lattentore abgeschlossen. „Noch im Urbarium
von 1595 ist zu lesen, daß der Gemeindeschreiber und Schulmeister
am Pfarr-Viehwegstore26 wohnte, und daß ein Bauer in Herwigsdorf,
welcher drei Ruten Land in Rückersdorf hatte, das Oberendetor in
gutem Zustand erhalten mußte" (Schulz).
Die dritte Nachricht „vor 1317" gibt uns Aufschluß über die ersten
G r u n d h e r r e n von Rückersdorf. Die Glogauer Piasten hatten um
1310 das Saganer Gebiet gegen eine Pfandsumme an den Mark-
grafen von Brandenburg verpfändet. Erst 1319, nach dem Tode
Markgraf Waldemars, wurde Sagan wieder eingelöst. Als Pfandes-
herr hatte der Brandenburger das Patronatsrecht auszuüben, d. h.
er hatte das Recht, die freigewordene Pfarrstelle in Rückersdorf zu
besetzen. Dieses Recht wurde ihm aber von den Glogauer Piasten-
herzögen einerseits und dem Sprottauer Hauptmann H e i n r i c h
v o n B i b e r s t e i n andererseits strittig gemacht, der Grundherr in
Rückersdorf und damit Besitzer des Kirchenlehns (oder eines Teiles
davon) war. Er besaß vermutlich das Schloßvorwerk, 3 bis 4 Hufen
26 Das ist der südl. Viehweg nach Hartau am Rande der Widmut. Solche
alten Viehwegstore werden in Langheinersdorf schon 1342, 1591 u. 1609 ge-
nannt (Steller, Zwei schles. Dorfstud. S. 44). — Schulz meint, daß um 1300
von Gehöft zu Gehöft ein Zaun gezogen wurde. Was zwischen den beiden
Gehöftzeilen am Bache lag, war gemeinschaftliche Weide. Der Weg führte
hinter den Gehöften entlang; die Dorfstraße zwischen Bach u. Gehöften
entstand erst später. — Während u. W. die Widmut um 1870 von dem
preuß. Fiskus verkauft wurde, gehörten die Viehwege noch 1945 der kath.
Kirche. Müller Erich Lange schreibt 1962: „östlich vom Pohlmannschen Gute
war der Viehweg nach Mittel-Herwigsdorf; Pächter Richard Lange u. Kiesel-
bach; Eigentümerin: kath. Kirche. Die Land- u. Grasnutzung der beiden
Viehwege am Oberkretscham von Liebs war auch verpachtet, die des Vieh-
weges nach Langh. an Ewald Hänsel u. Otto Dreißig, die am Wege nach
Herwigsdorf an Ernst Liebs u. Paul Hornig; Eigentümerin war die kath.
Kirche."
15
groß an der Südgrenze gegen Wittgendorf, und ansehnliche jähr-
liche Erbzinsen auf den Bauerngütern. Von einem Afterlehen der
Herren von Biberstein hören wir noch 1406. Am 9. 2. 1406 belehnte
Hans von Biberstein auf Sorau und Beeskow den H a n s v o n K n o -
b e l s d o r f f mit 1½ Mark Zins und ¼ des Rückersdorfer Kirchen-
lehns, „das da von uns zu Lehen geht", die dieser von den Brüdern
Wenzel, Johann, Nickel und Hans dem Älteren, Parpusch genannt,
die Dobersitzer (von Dobschütz) gekauft hatte (Hei. 108, Ste. Reg.
194). Die v o n D o b s c h ü t z besaßen noch weitere 6 Mark 8 Gr.
Zins in Rückersdorf. Diesen Zins besaß 1474 Leutold von Dober-
schütz. Da er keine männlichen Erben hatte, wurde am 20. 6. 1474
Friedrich v o n S c h ö n f e l d mit dem Anfall dieses Zinses belehnt
(Cop. 59. 412b). Nach Leutolds Tode fiel der Zins an die sächsischen
Herzöge, die damit am 28. 1. 1485 die Brüder Martin, Bernhard und
Albrecht von Knobelsdorff auf Rückersdorf belehnten (HA. 43,5).
Einen ansehnlichen Zinsanteil von Rückersdorf besaßen seit min-
destens 1439 die v o n P r o m n i t z auf Hirschfeldau. Es wäre mög-
lich, daß die von Promnitz diesen Zinsanteil ursprünglich als After-
lehen der Herren von Biberstein erworben haben; denn am
24. 11. 1461 belehnte W e n z e l v o n B i b e r s t e i n auf Sorau den
Nickel von Promnitz mit dem väterlichen Erbe in Weichau, Kr. Frey-
stadt (Ste. Gru. 79), und noch am 11. 6. 1487 belehnte Johann von
Biberstein auf Sorau die Gebrüder Nikolaus, Caspar und Balzer von
Promnitz mit Weichau (Codex IV 147, Worbs Archiv 333).
Nach 1320 veräußerten die Glogauer und Saganer Piasten ein
Lehngut nach dem anderen an ihre adligen Gefolgsleute. Derartige
Lehnbriefe haben sich selten erhalten. So wissen wir, daß Herzog
Heinrich IV. zu Sagan am 7. 9. 1324 dem G r a b u s v o n N e c h e r n
und seines Bruders Söhnen Grabus und Seifried von Nechern die
Lehngüter zu Cunzendorf und Johnsdorf (8 km südwestl. von Rük-
kersdorf) verkaufte (Ste.Reg.). Am 13. 3. 1328 belehnte derselbe die
Brüder Ulmann und Dietrich v o n N o s t i t z und deren Oheim Otto
mit Anteilen in Hertwigswaldau und Wachsdorf (SR 4729). In diesem
Jahrzehnt dürften die Piasten auch ihren restlichen Zins- und Grund-
besitz in Rückersdorf an Adlige verkauft haben. Auf die Guts- und
Grundherren wird im 3. Teil eingegangen werden.
Aus den sächsischen Lehnsbriefen von 1474 erfahren wir, daß es im
Dorf drei Vorwerke mit zwei Rittersitzen gab. Beim Unruh-Vorwerk
war eine Mühle, womit nur die Vorgängerin der Wassermühle am
Ölteich gemeint sein kann; beim Knobelsdorff-Vorwerk befand sich
eine Windmühle. Das war die einzige Windmühle, die 1474 in einem
16
gutsherrlichen Dorf des Fürstentums Sagan bestand. Nach dem Zins-
register des Abtes Ludolf von 1417 gab es eine Windmühle in Ober-
briesnitz27. Der Unruh-Lehnsbrief nennt noch einen Kalkofen, das
Kretschmerholz (nach dem Auskauf der Scholtisei war der Kretscham
eine eigene Stelle geworden) und den Haynpusch (benannt nach
einem Bauern Hayn, der nordwärts an die Vorwerksäcker grenzte).
Nach den Lehnsbriefen von 1474 hatten die Grundherren von
Unruh und von Knobelsdorff die niedere G e r i c h t s b a r k e i t
über ihre Untertanen; bei den von Unruh hieß es, daß sie die Ge-
richte haben „über ihre Leute und andere Einwohner zu Rückers-
dorf". Die obere Gerichtsbarkeit (Urteile über Hals und Hand) hatte
die Gutsherrschaft z. T. ab 1545, im ganzen Dorf erst seit 1595, als
Kaiser Rudolf II. das Dorf als Erbgut verkaufte. „Wir hatten auch
einen Galgenberg an der Kreuzung der alten Saganer Straße und
dem Viehweg, der von der Gastwirtschaft Liebs28 nach Herwigsdorf
führt, über Hinrichtungen ist nichts bekannt. Leider sind die alten
Gerichtsakten im alten Gerichtskretscham (östlich der Kirche) beim
Umbau verlorengegangen" (Schulz).
Den ersten genauen Ü b e r b l i c k ü b e r d a s D o r f gewährt
das Steuerregister von 1516/20 aus dem Dresdner Landeshaupt-
archiv (wörtliche Wiedergabe im 5. Teil). Abweichend von den
übrigen Dörfern mit mehreren Anteilen hat man „Ruckerßdorff" als
einheitliche Gemeinde behandelt. Das größte Bauerngut versteuerte
von seinen 2½ Hufen 5 Mark, von dem Inventar und dem Vieh-
bestand 1 Mark. Ein anderes Gut zahlte 5 Mark. Sechs Stellen,
die als Halbbauern (Halbhüfner) anzusprechen sind, darunter der
Schmied, versteuerten zwischen ½ Mark (= 24 Groschen) und 40 Gr.;
22 Stellen (darunter der Kretschmer) versteuerten 1 Mark bis 1½ Mark
— dies dürfte der Größe einer Hufe entsprechen —, 14 Bauern ver-
steuerten zwischen 2 und 2½ Mark, 6 Bauern zwischen 3 und
3½ Mark. Wir haben damit im ganzen 49 Bauerngüter, einschließlich
27 A. Heinrich im Saganer Gymnasialprogramm 1881, S. 17. In Ober-
briesnitz zinste die Scholtiseimühle (d. h. eine Wassermühle) 1 Mark, die
Windmühle 12 Gr. (= ¼ Mark). — über die Mühlen in R. siehe Anm. 9.28 Das war der sogen. Oberkretscham, als Stelle im Jahre 1710 errichtet
(Steller, 225 Jahre Oberkretscham in R., Sprottauer Tgbl. v. 21. 7. 1935). Bis
dahin gab es nur den Kretscham (Nr. 40) bei der Kirche. Bild des Gasthauses
Liebs in HB 1962/2 S. 11. Der große Saal der Gastwirtschaft faßte 600 Per-
sonen u. nahm alle großen Dorffeste auf. „Die Sowjets schleppten Ernst
Liebs fort. Keiner hörte jemals mehr etwas von ihm." — Am Bahnhof gab
es dann das Gasthaus „Zur Eisenbahn" von Hans Hoffmann (Bild in HB
1962/2 S. 11). — Eine Abschrift der Rückersdorfer Gerichtsordnung v. ca.
1660 lag in HA 78, 4.
2 Archiv 17
der Stelle des Kretschams. In der Steuer lagen dem Betrage nach
dann der Schmied und „des Junckern Moller", womit wohl der Was-
sermüller gemeint ist.
Als man nach den Drangsalen des Dreißigjährigen Krieges 1670
neue Schöffenbücher anlegte29, sah man ein Buch für die „Große
Gemeinde" und das andere Buch für die „Kleine Gemeinde" vor.
Mit dem Namen „Kleine Gemeinde" faßte man die Handwerker,
die Gärtner und Häusler zusammen. Eine solche kleine Gemeinde
gab es 1516 noch nicht. Das Steuerverzeichnis nennt mit je 8 Gr.
(= 1/6 Mark) Steuer 3 Gärtner und 2 Hausgenossen, ferner werden
ohne Namen 3 Hausgenossen bei den Bauern erwähnt. Somit hatte
das Dorf zu Beginn der Reformationszeit 48 Bauern, 3 Gewerbe-
treibende mit landwirtschaftlichem Nebenbetrieb (Kretschmer,
Schmied, Müller), 3 Gärtner- und 2 bis 5 Häuslerstellen.
Es ist auffällig, daß es damals in Rückersdorf keinen Schneider und
Schuster gab. Wie sich aus Zeugenverhören im Jahre 1532 ergab,
waren seit 1500 — ungehindert von den Saganer Zünften — in den
Nachbardörfern tätig: je ein Schuster zu Hirschfeldau und zu Hert-
wigswaldau, je ein Schneider zu Wachsdorf und zu Küpper unterhalb
der Kirche30. Darauf wurde der Ritterschaft vom Saganer Amt zu-
gestanden, daß ein Schneider u. a. in Wittgendorf, Rückersdorf,
Hirschfeldau, Hertwigswaldau, Wachsdorf sein dürfe. „Kein Schnei-
der darf aus dem Dorf, darin er vor Recht sitzt, in andere Dörfer
nach Arbeit bei den Gebauern umlaufen, allda selbst arbeiten, Maß
nehmen oder Gewand zu verarbeiten mit sich heimtragen"31. — Bei
den 1516 genannten drei Gärtnern sind Dreschgärtner des Ritter-
gutes anzunehmen. Im Jahre 1540 werden zwei Gärtner bei der
Kirche genannt, vermutlich hatte der Pfarrer noch zwei Gärtner.
Diese vier Gärtner wurden 1516 wohl nicht berücksichtigt, da die
Kirche keine Steuern zu zahlen hatte.
Die nächste Aufstellung der Dorfbewohner ist aus den Jahren
1591/95. Das an den Kaiser als Lehnsherrn heimgefallene Lehnsgut
Rückersdorf wurde nach 1591 mit Vorwerken und Einwohnern ver-
zeichnet, um den Kaufpreis für Gut und Dorf zu ermitteln. Dieses
„Urbar", auf das im 3. Abschnitt näher eingegangen werden soll,
29 Die drei Schöffenbücher (1670 bis 1830) wurden seit 1936 im Stadt-
archiv Sprottau aufbewahrt. Der Verf. hatte die Bücher mit genauen Re-
gistern versehen.30 Steller, Die Saganer Schuster u. Schneider kämpfen um ihr Recht
(1532). Illustr. Hauskalender f. d. Kr. Sagan 1942, S. 41—48.31 Hei. 677. — Im Urbar von 1591 wird erstmalig ein Schneider in R. ge-
nannt.
18
und (als Ergänzung) die Ortsakten Rückersdorf (BSA, Rep. 37) nennen
in R. 98 Wirte, nämlich 50 Bauern, 17 Gärtner, 31 Häusler (Ste. Gru.
135).
Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges wurden die Dörfer des
Saganer Fürstentums in Musterungslisten erfaßt. Diese Verzeichnisse
nennen bei Rückersdorf 119 Wirte: 49 Bauern, 21 Gärtner und 51
Häusler32. Auffällig — aber in voller Übereinstimmung mit der Ent-
wicklung anderer Dörfer — ist die Zunahme der Gärtnerstellen. Das
Rittergut hatte sich bis 1619 noch nicht auf Kosten der Bauerngüter
vergrößert (erst 1619/20 kamen drei Bauerngüter zwischen Schloß-
und Kirchvorwerk zum Rittergut), aber die Landwirtschaft muß sich
in der Reformationszeit intensiviert haben. Das Rittergut und die
Bauern produzierten nun Getreide für die Ausfuhr. Da brauchte der
Gutsherr mehr Gutsarbeiter — das waren eben die Dreschgärtner.
Schließlich führte die lange Friedenszeit von 1488 bis 1620 zu einer
starken Bevölkerungszunahme, die im Dorf zu einer Vermehrung der
Häuslerstellen Anlaß gab33).
3. Die Grund- und Gutsherren (Das Rittergut)
Von kleineren Zinsanteilen abgesehen, zerfiel das Dorf Rückers-
dorf in drei Anteile34. Die Struktur des Waldhufendorfes begün-
stigte eben die rechtliche Zersplitterung, die sich im Nachbardorf
Langheinersdorf bis nach 1800 erhalten hat35). Im Oberdorfe hatten
die v o n P r o m n i t z auf Hirschfeldau — mindestens seit 1434 —
einen Zins von 173/4 Mark auf 10 Bauerngütern. Er kam 1550 in den
Besitz des F a b i a n v o n S c h ö n a i c h , der ihn mit den Gütern
3 2 Diese Zahlen w u r d e n mit Benutzung der Bestandaufnahme v o n 1660
ermittelt. Es ist anzunehmen, daß zwischen 1620 u n d 1660 k e i n e neuen
Stellen angelegt wurden.
3 3 Viele Dorfbewohner w u r d e n Bürger in den Nachbarstädten. So finden
wir in Sagan u n t e r d e n Ratsleuten: 1403 Niclos Rukersdorf, 1420 A g u s t i n u s
(Austin) Rukirsdorf (Codex 32, S. 46, 48). Leider sind k e i n e Bürgerlisten
v o n Sagan aus s p ä t e r e r Zeit erhalten. — In Sprottau erhielten das Bürger-
recht folgende P e r s o n e n aus R.: 1564 Bartel Rackwitz, T a g e l ö h n e r ; 1593
Heinrich Knebel, Schuhmacher (Matuskiewicz im Archiv f. Sippenforschung
17, 1940; HB 1956/5 S. 19).
3 4 St. Gru. 135—137. H i e r werden 8 Anteile unterschieden. 3 M a r k Zins
h a b e n die H e r r n v. Kittlitz auf Barge mindestens 1463—1508 b e s e s s e n .
7½ M a r k Zins, d e n die v. Dobschütz 1406 bis vor 1485 hatten, w u r d e n schon
oben genannt.
35 Steller, Zwei Dorf Studien aus Westschlesien (Detmold 1961).
19
Hertwigswaldau-Wachsdorf-Wittgendorf vereinigte. Seit 1730 besaß
diesen großen Guts- und Zinsbesitz die Stadt Sprottau.
An der Wittgendorfer Grenze lag das S c h l o ß v o r w e r k . Ein
Vergleich der Steuerangaben von 1529 (Hei. 195) mit den Steuer-
beträgen in der Hufenmatrikel 1660 (HA 74,3) ergibt eindeutig, daß
es im 15. Jahrhundert den Herrn v o n U n r u h gehörte. Der betref-
fende Lehnsbrief von 1474 nennt als Zubehör des Unruh-Vorwerks
„eine freie Viehtrift" und eine Mühle (= Wassermühle). Schon diese
Angaben würden für das Schloßvorwerk sprechen, das bereits bei
der Dorfgründung vorgesehen war und daher das Vorrecht der Vieh-
trift über die Bauernfelder hatte. Ein Vorwerk neben der Scholtisei
um 1250 ist z. B. in Schönbrunn und Nieder-Langheinersdorf ge-
sichert. Unser Schloßvorwerk mit seinen Zinsbauern war mindestens
seit 1434 bis 1518/28 im Besitz der von Unruh, kam dann an die
v o n K n o b e l s d o r f f auf Hirschfeldau. Schließlich wurde es 1545
mit dem übrigen Knobelsdorffschen Besitz vereinigt.
Das K i r c h v o r w e r k , das um 1350 aus der alten Scholtisei ge-
bildet wurde, war seit mindestens 1393 im Besitz der von Knobels-
dorff. Zahlreiche Rechte und Zinsen wurden noch im 15. Jahrhundert
erworben. Hinzu kam 1545 das Schloßvorwerk. Dieser Besitz fiel 1591
als erledigtes Lehnsgut an die Habsburger, die ihn 1595 in ein Erbgut
verwandelten und an die Schwiebuser Linie der von Knobelsdorff
verkauften. Im Jahre 1736 mußte der letzte von Knobelsdorff Dorf
und Gut Rückersdorf an seine Gläubiger abtreten. Nach zwei Zwi-
schenbesitzern war das Rittergut von 1792 bis 1881 im Besitz der
Familie v o n F r a n c k e . Nach einer Teilung des Rittergutsbezirks
1875 gehörte das Schloßvorwerk von 1881 bis 1945 der Familie
Maetschke. Dieser kurze Überblick soll im Folgenden weiter ausge-
führt werden.
A) Der „Sprottauer" Zinsanteil (von Promnitz)
Über die Stammfolge der von Promnitz verweise ich auf meine
1941 erschienene Schrift (Ste. Gru. 74 ff.). Heinze von Promnitz, erst-
malig 1432 genannt, auf Hirschfeldau wohnend, wurde von Herzog
Hans I. von Sagan (gest. 1439) mit den Gütern zu „Hirswalde
(= Hirschfeldau), Ruckerdorff" usw. belehnt und in diesem Besitz
1442 bestätigt. Seine Söhne Melchior und Heinze, Gebrüder zu
Hirschfeldau, nebst ausländischen und unmündigen Brüdern, wurden
von den sächsischen Herzögen 1474 u. a. mit dem Rittersitz in
20
Hirschfeldau, mit je einem Vorwerk in Hirschfeldau, Wachsdorf und
Niederküpper belehnt, ferner mit 173/4 Mark Zins zu Rückersdorf
(Cop. 59, 392b). Bei einer brüderlichen Teilung um 1500 kam der
Zinsanteil Rückersdorf an den Besitzer von Wachsdorf. Mit dem
Tode des 1474 genannten Heinze von Promnitz und seines Neffen
Christoph 1516 fielen die Güter als erledigtes Lehen an den Herzog
Georg von Sachsen, der sie 1517 dem Saganer Verweser (oder Lan-
deshauptmann) G e o r g v o n K ö n i g s f e l d verkaufte. Die Lehns-
güter (Anteil Wachsdorf mit Zubehör) behielt Königsfelds Witwe
Margarete bis zu ihrem Tode 1549 als Leibgedinge. Die wiederum
heimgefallenen Güter übergab Kaiser Ferdinand I. — seit 1549 ge-
hörte Sagan wieder den Habsburgern — 1550 dem S e b a s t i a n
v o n S c h ö n a i c h (1509—1557). In den späteren Erbauseinander-
setzungen zwischen Sebastians Sohn Johann Georg (geb. 1550) und
seinem Onkel Fabian von Schönaich 1573 und 1578 erhielt Johann
Georg von Schönaich die Hertwigswaldauer Güter und mit ihm den
Zinsanteil Rückersdorf. Um aber im Fürstentum Sagan belehnt zu
bleiben, behielt sich Fabian von Schönaich den Erbzins auf zwei
Bauern in Rückersdorf zurück. Dieser Zins fiel mit Fabians Tode 1591
an den Kaiser Rudolph II., der ihn 1603 an M a x i m i l i a n v o n
K n o b e l s d o r f f auf Rückersdorf verkaufte (Rep. 37 Ortsakten
Rückersdorf). Der Zinsanteil bestand nunmehr (bis zur Ablösung) aus
acht Bauerngütern mit 5½ Hufen, von denen vier Bauern ihr Wohn-
gut im Knobelsdorffschen Anteil hatten. Schon früher wurde diese
auffällige Tatsache durch die Überscharäcker im Oberdorf erklärt.
Bei der Kolonisation vor 1250 hatten hier wenig fruchtbare Acker-
streifen keinen Käufer gefunden, so daß schmale Streifen nunmehr
von anderen Bauernhöfen zusätzlich — d. h. abseits vom Gehöft —
erworben wurden. Diese vier Bauern zahlten daher Erbzinsen an
das Rittergut Rückersdorf und Rittergut Hertwigswaldau, leisteten
aber Gutsdienste dem Rittergut Rückersdorf. Die übrigen vier „Hert-
wigswaldauer Bauern" (welche Bauerngüter das waren, ist dem Verf.
jetzt nicht mehr bekannt) mußten ihre Kaufverträge vor dem Ge-
richtsamt Hertwigswaldau abschließen, aber der Rückersdorfer
Schreiber trug die Verträge ins Schöffenbuch Rückersdorf ein.
Mit den Gütern Hertwigswaldau, Wachsdorf, Wittgendorf usw.
kam dieser Zinsanteil Rückersdorf 1730 an die Stadt Sprottau (Ein-
zelheiten bei Ste. Gru. 35). Nach 1825 wurden die Gutsdienste und
Zinsen von der Stadtgemeinde Sprottau abgelöst (Verträge im Stadt-
archiv Sprottau).
21
B) Das Schloßvorwerk (von-Unruh-Anteil)
Es ist nicht bekannt, wann die v o n U n r u h das Schloßgut Rük-
kersdorf erworben haben. Stammsitz der von Unruh war das Nach-
bardorf H e r w i g s d o r f , wo vier Söhne des verstorbenen Peter
von Unruh schon 1388 genannt werden (Codex 24, 164; HB 1958/1,
S. 10); bis etwa 1650 besaßen die von Unruh Anteil Herwigsdorf —
und zwar Mittel-Herwigsdorf (Anteil 2 von Anm. 37).
Am 19. 8. 1434 schlossen Herzog Hans zu Sagan und sein Bruder
Herzog Heinrich zu Groß-Glogau einen Frieden auf 20 Jahre. Diesen
Vertrag bezeugten u. a. „Hans Knoblichsdorff zu Ruckirsdorff, Ma-
this Vnruw zu Ruckirsdorff'' (Ste. Gru. 52). Zwei Augustinerurkunden
(Rep. 116 Nr. 300, 304) berichten uns, daß am 22. 12. 1446 der Abt
Heinrich Stißlaw 10 Mark Zins auf dem Dorfe Schönbrunn wieder-
käuflich verkaufte an Matthis Unruh, zu Rückersdorf gesessen, und
— wenn er ohne Erben sterben würde — an seinen ungesonderten
Bruder Nickel von Unruh und dessen Kindern Kaspar und Melchior;
über die Rückzahlung quittierten die Brüder Matthis und Nickel am
14. 5. 1448. Matthis war jahrelang Marschall der Saganer Herzöge.
„Den Glanzpunkt in Matthis' Leben bildete aber seine Sendung nach
Rom zum Papste. Die Stände forderten auch hier Kirchenreform.
Eine große Versammlung am 20. 1. 1459 zu Lüben und eine andere
in Breslau am 21. 3. 1459 entsandten Matthis zusammen mit Dr. Peter
Wartenberg nach Rom, dort vorstellig zu werden" (Die Unrugher,
Cöthen 1906f S. 180). Für das Dorf Rückersdorf wichtiger ist eine
Urkunde von 1453 (im BDA), in der „Nickil und Mattiß Vnrwer, ge-
brudir czu Rukersdorff gesessen", der Freystädter Pfarrkirche einen
Zins verkauften auf dem alten Hanß Heyne und seiner halben Hufe,
die von den von Unruh zu Lehen ging und „gelegen zu Rukirsdorff
nederwig der Kirchen keyn Herdgiswalde werdt czwischen der
Haydir Erben" (Codex 24, 178). Dieses Heine-Gut lag zwischen dem
Schloß- und Kirchvorwerk und kam 1619 zum Rittergut. Dieses
Bauerngut, nach dem Landsteuerregister 1516/20 2½ Hufen groß,
hatte also eine halbe Hufe zwischen einem anderen Bauerngute, das
auf unserer Karte bei dem Namen „Weinerei" zu suchen ist.
Die sächsischen Fürsten belehnten am 16. 3. 1474 Nickel von Unruh
und seine Vettern (= Neffen) Christoph, Leander und Clemenz von
Unruh, zu Ruckerßdorff gesessen, mit einem Sitz daselbst, mit den
Vorwerken36 und Erbzinsen, einer freien Viehtrift und einem Stück
36 Gemeint sind das Schloßvorwerk und das „kalte Vorwerk", das 1591
im Urbar unter diesem Namen vorkommt. Siehe weiter unten bei 1591.
22
Holz, vorzeiten von Lutern Doberswitzschen (von Dobschütz) erblich
gekauft, wie das an der genannten Vnrwen Vorwerke zwischen dem
Kretschmerholze, dem Kalkofen und dem Holze, das vorzeiten Hayn-
pusch gewesen, gelegen, mit einer Mühle, mit Gerichten über ihre
Leute und auch anderen Einwohnern daselbst zu Rückersdorf, mit
allen Gerechtigkeiten, die sie bisher von den Fürsten und Herrn zu
Sagan zu Lehen gehabt haben (Cop. 59, 386a; Cop. 53, 60 mit einem
Vermerk von 1508 über die Teilung des Besitzes). Schon oben wurde
bemerkt, daß mit der Mühle nur eine Wassermühle am Ölteich ge-
meint sein kann. Da das Gehölz, das die von Dobschütz früher
besessen hatten, auf dem Schloßvorwerk an der Hertwigswaldauer
Grenze zu suchen ist, darf man annehmen, daß das ganze Vorwerk
früher (um 1400) im Besitz der von Dobschütz und damit Afterlehen
der Herrn von Biberstein war, die schon vor 1317 als Grundherrn in
Rückersdorf urkundlich genannt werden.
Im Dienste des „nobilis Clementis de Vnrhw in pago Ruckersdorff"
stand ein Schäfer Petzold, gebürtig aus Zölling. Ihm wurde 1486 in
Rückersdorf ein Sohn Simon geboren. Als 1488 das „schwarze Heer"
des Ungarnkönigs Matthias Corvinus gegen Johann II. von Sagan
— damals im Besitz von Glogau — zog und dabei Sprottau und Glo-
gau einnahm, wurde beim Abzug von Glogau auch das Dorf Rük-
kersdorf von der Soldateska verheert. Der Schäfer Petzold, der in
der Folgezeit seine zahlreichen Kinder (vier Söhne, vier Töchter) mit
Mühe und Sorgfalt erzog, wurde seiner ganzen Habe beraubt und
verlor — wie die Saganer Abtschronik berichtet — wegen allzu großer
Traurigkeit darüber sein Augenlicht. Die Mutter Simons stammte aus
Küpper bei Sagan; sie diente dem Herrn von Unruh als Köchin.
Simon Petzold konnte mit Unterstützung eines Saganer Bürgers und
Freundes des Vaters mit 10 Jahren die Lateinschule in Sagan be-
suchen, trat am 7. 5. 1506 in das Saganer Augustinerstift ein und
wurde am 10. 2. 1536 zum Abt gewählt (Script. rer. Sil. I S. 479).
Wir übergehen die zwei Lehnsbriefe von 1485 und 1508 (Ste. Reg.).
Nur der 1474 genannte Christoph von Unruh hatte zwei Söhne
Kaspar und Hans, die kurz vor 1508 den Besitz teilten. Hans von
Unruh erhielt den Rittersitz, die Vorwerke und die Leute zu Rückers-
dorf mit der Hälfte der Erbzinsen, Kaspar bekam die Hälfte der
Gerichte über die Leute und andere Einwohner zu Rückersdorf mit
ihren Erbzinsen. Kaspar von Unruh verkaufte 1518 seinen Zinsanteil
an die Brüder Hans, Franz und Balthasar von Knobelsdorff auf
Hirschfeldau (Ste. Gru. 57). Als Hans von Unruh 1528 mit Hinter-
lassung zweier Töchter starb, erwarben das dem Herzog Georg von
23
Sachsen heimgefallene Schloßvorwerk Rückersdorf Hans und Franz
von Knobelsdorff auf Hirschfeldau (Lehnsbrief vom 23. 6. 1529); der
dritte Bruder Balthasar von Knobelsdorff hatte inzwischen einen An-
teil von Herwigsdorf erworben, der bis 1843 den von Knobelsdorff
gehörte37.
Hans von Knobelsdorff starb am 17. 2. 1543, sein Bruder Franz am
9. 7. 1544 (Grabsteine beider an der Hirschfeldauer Kirche). Nun
wollte der dritte Bruder Balthasar die Lehnsgüter übernehmen, aber
Herzog Moritz von Sachsen erkannte die frühere Gesamtbelehnung
nicht an, da Herwigsdorf im Fürstentum Glogau (den Habsburgern
gehörig) lag. Aus Gnaden, d. h. gegen eine Bezahlung von 1500
Gulden, belehnte schließlich der Herzog am 25. 11. 1544 den Baltha-
sar von Knobelsdorff mit den Hirschfeldauer Gütern (u. a. 2 Ritter-
sitze, 3 Vorwerke)38. Die anderen Lehnsgüter (Dittersbach, Rückers-
dorf) zog Herzog Moritz ein. Von diesen verkaufte er „das halbe
Dorf Rückersdorf" mit oberen und niederen Gerichten am 1. 7. 1545
an Valten von Knobelsdorff auf Rückersdorf. Nun waren sämtliche
Vorwerke in Rückersdorf in einer Hand.
C) Der Anteil der von Knobelsdorff bis 1591
Bereits oben wurde erwähnt, daß die v o n K n o b e l s d o r f f
schon 1299 in einer Saganer Urkunde als Zeuge genannt werden,
daß ihr Stammsitz vermutlich Hirschfeldau war, das sie nachweislich
seit 1393 besaßen und auf dem ein Zweig der Familie bis 1853
ansässig war38. Die älteste Pergamenturkunde über die von Knobels-
dorff auf Rückersdorf vom Jahre 1393 lag 1945 im Archiv des
37 Zimmermanns Beiträge (Bd. X, 1791, S. 158) geben bei Herwigsdorf
3 A n t e i l e an: 1. Ober-H. mit 4 Freibauern, 36 Einw., gehörig dem D o m -
k a p i t e l i n G l o g a u ; 2 . Mittel-H. mit 1 herrschaftl. Wohnhaus, 2 Vw.,
6 B., 18 G., 14 H., 1 Mühle, 16 and. Häuser, 336 Einw., gehört dem Grafen
v. K a l k r e u t h ; 3. Nieder-H., mit Kol. u. Vw. Neudorf verbunden, mit
1 k a t h . Pfarrkirche, 1 Schulhaus, 1 herrschaftl. Wohnhaus, 5 Vw., 1 Kret-
scham, 1 Freigut, 24 B., 25 G., 34 H., 1 Wassermühle, 2 Windmühlen, 654
Einw., gehört den v. K n o b e 1 s d o r ff schen Erben. Im ganzen Dorf 182
Feuerstellen mit 1056 Einw. — Beschreibung der 3 Anteile 1840 (mit gl. Be-
sitzern wie 1787) bei Knie, 1845, S. 228. Im Nachtrag gibt Knie (S. 963) an:
Nieder-H. mit Neudorf kaufte Gutsbes. Doner auf Sorau 1843 vom Rittm.
v. Knobelsdorff für 100 000 Rtl.; Mittel-H. kaufte Maurermstr. Martin für
52 100 Rtl. von den Kalkreuthschen Erben.
38 Über Hirschfeldau vgl. Steller, Die Grund- u. Gutsherren v. H. (I11.
Haus-Kal. f. d. Kr. Sagan 1940, S. 42—50; mit Anm. erweitert abgedruckt
in HB 1959/10 S. 14? 1959/11 S. 10).
24
Saganer Gymnasiums (Hei. 37; Ste, Reg. 142); die Jesuiten, die
1678 einen Anteil von Hirschfeldau erwarben, hatten sie dahin ge-
bracht. Nach dieser Urkunde wurde Hans von Knobelsdorff auf
Hirschfeldau belehnt mit dem Anfall seines Vettern „Hannos von
Knoblauchstorff, allis, das her von vnsin Fürstl. Gnodin in dem dorfe
und gute czu Rukirstorf hot". Vermutlich war die Ehe des Hans von
Knobelsdorff auf Rückersdorf (geb. um 1360) damals noch kinderlos,
so daß bei dessen Tode Rückersdorf als erledigtes Lehen an den
Saganer Herzog fallen würde. Daher sicherte sich sein Onkel Hans
von Knobelsdorff auf Hirschfeldau durch eine Geldzahlung den zu
erwartenden Lehnsanfall.
Aufschlußreicher ist eine Urkunde vom 2. 5. 1405, ausgestellt in
„Rukirsdorff". Die Urkunde lag 1945 im BDA, Glogauer Dompfarrei;
leider ist der dem Verfasser vorliegende Auszug unvollständig. Jo-
hannes Kortzcog (d. h. der Kurze) von Knobelochsdorff, Erbherr im
Dorfe Rukirsdorff im Distrikt Sagan, verkaufte wiederkäuflich 5 oder
6 Mark Zins in Rückersdorf an das Glogauer Domkapitel. Die Ur-
kunde führt die Namen von etwa acht Zinsgebern (Bauern) in Rük-
kersdorf an. Sie beweist, daß die von Knobelsdorff in Rückersdorf
ihren Wohnsitz und dort zahlreiche Untertanen hatten. Zeuge der
Urkunde war u. a. Johannes Knobelochsdorf, Oheim (patruus) des
Verkäufers Joh. Kortczog. Auf die Genealogie der von Knobelsdorff
soll hier nicht eingegangen werden (siehe Ste. Gru. 53). Jedenfalls
hatte die Hirsciifeldauer Linie noch einen großen Anteil in Rückers-
dorf; denn am 4. 12. 1459 kauften die drei Brüder Christoph, Bern-
hard und Hans von Knobelsdorff, zu Rückersdorf gesessen, 8½ Mark
weniger 4 Gr. jährlichen Zins in Rückersdorf, das Kirchenlehen und
1/5 des Gerichts daselbst von ihrem Vettern Christoph von Knobels-
dorff zu Hirschfelde in dessen Namen und im Namen der Söhne
des verstorbenen Fritsche von Knobelsdorff (Hei. 160; Ste. Reg. 156).
Diesen Erbzins von 8½ Mark könnte der jährliche Zins auf 4 bis 5
Bauerngütern in Rückersdorf ausmachen.
Was die von Knobelsdorff in Rückersdorf besaßen, erfahren wir
genauer aus dem Lehnsbrief vom 16. 3. 1474, den die sächsischen
Fürsten (die Brüder Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht von Sachsen)
nach dem Kaufe des Fürstentums Sagan (12. 12. 1472) ausstellten. Sie
belehnten die ungesonderten Brüder Christoph und Bernhard von
Knobelsdorff mit einem Sitz und dem Vorwerk zu „Ruckerstorff", mit
allen Gerechtigkeiten, mit einer Windmühle, mit Erbgerichten, einem
Kirchenlehen, einem freien Gericht, dazu eine Wiese und einen
Busch zwischen Hirsfelde und der Kopper (Küpper) gelegen, zur
25
Kotten (KL-Kothau) 10 Gr. und 2 Hühner, zur Nydderkopper 2 Mark
und 4 Gr., zu Hirsfelde 2 Mark 6 Gr. und 6 Scheffel Getreide, alles
jährl. Zins, wie sie sie bisher von den Fürsten und Herrn zu Sagan
hergebracht haben (Cop. 59, 397b). Der Lehnsbrief zeigt, wie zer-
splittert die rechtlichen Verhältnisse in den Waldhufendörfern waren.
Im Jahre 1477 kauften die beiden Brüder Dorf und Gut Küpper
(Anteil Oberküpper mit dem Kirchvorwerk und den Obergerichten
über das ganze Dorf) von Hans von Rothenburg39. Erst 1622/23
haben die von Knobelsdorff auf Rückersdorf ihren Anteil Küpper bei
Sagan verkauft.
Im Besitz dieser Güter folgten Bernhards Söhne Martin (geb. um
1460, gest. vor 1505), Bernhard (gest. 1532/39) und Albrecht (gest.
1523/27), die 1485 und 1508 von den sächsischen Herzögen be-
lehnt wurden (Ste. Reg.). Die drei Brüder teilten die Güter unter sich,
und zwar erhielt Albrecht den Anteil Küpper, Martin und Bernhard
bekamen den Anteil Rückersdorf. Bernhard und Albrecht hinterließen
keine Söhne, so daß die Güter an Martins einzigen Sohn Valten (Va-
lentin, geb. um 1500, gest. 1566) fielen. Valten kaufte am 1. 7. 1545
von Herzog Moritz von Sachsen den früheren Unruhschen Anteil zu
Rückersdorf und besaß nun alle Vorwerke daselbst.
Valten von Knobelsdorff, der in der Geschichte der Kirche genannt
werden wird, hatte drei Töchter und zwei Söhne: Seifried (geb. 1543,
gest. 14. 5. 1591) und Hans (geb. 1547, gest. 6. 1. 1563; Grabsteine
beider in der Vorhalle der Kirche Rückersdorf). Seifrieds Ehe blieb
kinderlos, so daß seine Güter Rückersdorf und Anteil Küpper als
erledigtes Lehen an den Kaiser Rudolf II. (1576—1611) fielen.
Um die Kosten der Türkenkriege zu decken, waren die Habsburger
in diesem Jahrzehnt bestrebt, fast den ganzen landesherrlichen Be-
sitz zu Geld zu machen. So wurden 1590/1600 die großen Heiden
um Sagan, Priebus, Sprottau, Primkenau und die Hertwigswaldauer
Güter als Erbgüter veräußert. Auch das Dorf Rückersdorf wurde vom
Breslauer Oberamt sogleich zu einem Verkauf vorgesehen und ein
Verwalter hier eingesetzt. Die zahlreichen Berichte und Gutachten
aus dieser Zeit (1591—95) umfaßten etwa 150 Blätter und lagen 1945
im BSA. Rep. 37 Ortsakten Rückersdorf.
Eine Kommission des Oberamtes stellte zunächst die jährlichen
Ernteerträge und Erbzinsen fest. Dieses U r b a r von Rückersdorf und
Anteil Küpper wurde bis 1945 im Tresor des Schlosses Rückersdorf
39 Rep. 37 Ortsakten Küpper. — Landeshauptarchiv Dresden, Loc. 10 336,
Irrungen zw. Abt u. Amt Sagan wegen Mühlbaufuhren zu Küpper.
26
aufbewahrt. Das Original und die Abschrift des Verfassers sind ver-
loren, Einzelheiten sind dem Gedächtnis entfallen. Jedes Bauerngut
mußte damals dem Rittergute im J a h r e 8 bis 12 Fuhren leisten!40
Von den Handdiensten wird überhaupt nicht gesprochen. Wenn man
bedenkt, daß 150 Jahre später jeder Bauer w ö c h e n t l i c h zwei
Tage Fuhrdienste und zwei Tage Handdienste auf dem Rittergute
kostenlos zu leisten hatte, ist man über die Zunahme der Guts-
dienste in so kurzer Zeit erstaunt. Das Urbar hatte auch der
Rückersdorfer Oswald Schulz (gest. 20. 6. 1955, 80jährig), Besitzer
einer früheren Gärtnerstelle neben der Kirche, öfters im Schloß
Rückersdorf eingesehen. Er schreibt darüber aus der Erinnerung: „In
dem Urbar von 1591 lesen wir, daß Rückersdorf mit zwei Roß
Ritterdienste tun muß41, daß der Ort eine hohe und eine niedere
Gerichtsbarkeit hat, Patrimonialgerichtsbarkeit42 und Scholz mit
Schöffen, daß keine Erbscholtisei besteht, dafür hat der Ort einen
Scholzen von der Kate (= kleine Besitzung), daß drei Gewerbe-
treibende im Ort waren: ein Kretschmer (Haus Nr. 40), ein Erb-
schneider (Haus Nr. 34) und ein Dorfschmied (Pfuhlschmiede Nr. 57).
Die Hausnummern bestehen allerdings erst seit 1804. Wir lesen fer-
ner, daß das Rittergut aus dem Hauptgut, dem Kirchvorwerk und
dem k a l t e n V o r w e r k besteht. Zwischen dem Hauptgut und dem
Kirchvorwerk lagen damals noch drei Bauerngüter. Das kalte Vor-
werk lag im Oberdorf und verschmolz nach dem Dreißigjährigen
Kriege mit drei herrenlos gewordenen Bauerngütern zur B e c k e r e i .
Das kalte Vorwerk war vergleichsweise klein. Angegeben waren die
Aussaatmengen von Getreide, Erbsen und Lein (Flachs) für jeden
40 Man vergl. die Fuhrdienste der Augustinerdörfer im J a h r e 1417 (A.
Heinrich im Saganer Gymnasialprogramm 1881 S. 13). Jede der 33 Hufen
in Schönbrunn hatte dem Stifte mit einem Wagen jährl. zu dienen. In
Diebau dienten 6 Gärtner zusammen 24 Tage im Jahr, in Klopschen 4 Gärt-
ner zusammen 9 Tage, in Zobelwitz jeder Gärtner 2 Tage.
41 Richtig dürfte „5" sein. Im Jahre 1480 oder früher heißt es im Saganer
Ritterdienstverzeichnis: „Unruge zu Ruckerstorff 2 pfert und Knobilstorff
daselbst 3 pfert, b e y d e insgesampt 2 weyn (Wagen), 10 Fußknechte" (ab-
gedruckt in Matuszkiewicz-Steller, Unsere Sagan-Sprottauer Heimat, Köln
1956, S. 48).
4 2 Es sei hier die Einrichtung des Gerichtswesens in der Kolonie Reußen-
feldau vom 9. 8. 1780 erwähnt. In den Kretscham wurden „die Zeichen der
Gerichtsbarkeit, als Stock, Halseisen" gebracht. Schließlich wurden den
Gerichtspersonen die Vollmachten der Herrschaft zur Vollziehung der Kauf-
briefe ausgehändigt, die sie in der Gerichtslade verwahren sollten. Ein
Schöffenbuch wurde angelegt. — Im Anteil Küpper des Valentin v. Knobels-
dorff wurde 1554 ein Schöffenbuch angelegt (Rep. 37 Ortsakten Küpper). Es
ist daher anzunehmen, daß auch in R. damals ein Schöffenbuch begonnen
wurde, das im Dreißigjährigen Kriege verlorenging.
27
Teil des Gutes in Maltern und Scheffeln; die Durchschnittserträge
nicht. Ferner war angegeben der Viehbestand: 22 Pferde, 900 Schafe,
dann der Rindviehbestand, eingeteilt in Ochsen, Kühe und Jungvieh,
ihn kann ich (= Schulz) nicht mehr angeben-, Schweine wenig." Nach
diesem Urbar hatte Rückersdorf — unter Zuzählung der Bauerngüter
im Hertwigswaldauer Zinsanteil — 98 Wirte: 50 Bauern, 17 Gärtner,
31 Häusler (Ste. Gru. 135). Zum Schloß Vorwerk gehörten wohl 6
ernten und um den 20. Scheffel zu dreschen und verrichteten auf dem
Gärtner, zum Kirchvorwerk 7 Gärtner, dann kamen noch 2 Pfarr- und
2 Kirchgärtner, über die Dienste der Gärtner war nichts angegeben.
Aber sicher hatten die Dreschgärtner — wie in Hartau — das Winter-
getreide um die 11. und das Sommergetreide um die 10. Mandel zu
Rittergute Mann- und Weiberdienste, ferner hatten sie das Recht,
eine Kuh mit der Herde des Rittergutes auf die Weide zu treiben.
Eine besondere Erörterung verdient das „ k a l d e f o r w e r g " . Es
erscheint in diesem Urbar das erste und letzte Mal. Es hat aber
schon 1474 bestanden, da im Lehnsbrief der von Unruh 1474, 1485
und 1508 von einem Rittersitz und „den Vorwerken" gesprochen
wird. Die Felder dieses Vorwerks können nur mit der Hufe identisch
sein, die am oberen Ende des Dorfes lag und aus der 1776 der
größte Teil der Kolonie Reußenfeldau gebildet wurde. Es lagen hier
die Überscharäcker, aus der sich um 1300 einzelne Bauerngüter einen
vom Gehöft abseits liegenden Hufenstreifen sicherten. Ein solcher
Hufenstreifen kam also schon frühzeitig zum Schloßvorwerk. An der
Dorfstraße dürften einige Fachwerkgebäude gestanden haben, die
im Dreißigjährigen Kriege abbrannten. Als dann zwischen 1623
und 1638 aus drei wüsten Bauerngütern des östlichen Oberdorfes
— ihre letzten Besitzer hießen Heinrich, Pfitzmann und Melchior
Becker (Schmaltz 40) — ein neues Vorwerk, „ d i e B e c k e r e i " ,
geschaffen wurde, wurde diese Hufe dem neugeschaffenen Vorwerk
angegliedert, und der alte Name „kaltes Vorwerk" geriet in Ver-
gessenheit. Ende April 1776 besichtigte man das Gelände zur Aus-
setzung einer neuen Kolonie; da nannte man es ,,das Obererbe, das
zum Obervorwerk, die Beckerei, gehörte" (Ste. Reußenfeldau).
D) Das Rittergut unter den von Knobelsdorff 1595—1736
Die Kammergüter Rückersdorf und Anteil Küpper (bei Sagan)
wurden am 18. 5. 1595 aus dem Lehen ins Erbe verwandelt und als
erbeigenes Gut an Maximilian von Knobelsdorff (geb. 1539, gest.
1609) verkauft. Damit hielt die Neu-Rückersdorfer Linie der von
28
Knobelsdorff ihren Einzug in das Dorf43. Maximilian von Knobels-
dorf entstammte dem Hause Schwiebus und hatte seit dem Tode
seines Vaters Sebastian (geb. um 1496, gest. 1558) die Landeshaupt-
mannschaft Schwiebus inne. Während Maximilians jüngster Sohn
Hans Georg (geb. 28. 3. 1582, gest. 23. 11. 1637) im Besitze von
Schwiebus folgte, übernahm Rückersdorf und Küpper sein ältester
Sohn Friedrich (gest. 1623).
Am 20. 1. 1598 kaufte Maximilian von Knobelsdorff das Dörfchen
K l e i n - K o t h a u (mit einer Scholtisei und sechs Bauernhöfen) um
2000 Taler von dem Sprottauer Nonnenkloster. Dieses mußte beim
Verkauf der landesherrlichen Gerechtsame das bisher pfandweise
innegehabte Dorf Heinersdorf im Grünbergschen sowie die Ober-
gerichte in Ober- und Nieder-Eulau für 1200 Taler kaufen, ferner im
Dezember 1598 zu einer Türkensteuer den Betrag von 2000 Taler
beitragen. Deshalb erhielt es am 10. 12. 1597 die kaiserliche Geneh-
migung, das wenig erträgliche Dörfchen Kothau zu verkaufen (Codex
31,59). Beim Wechsel der Herrschaft merkten die Kothauer, welche
neuen Bedrückungen ein adliger Gutsherr ausüben konnte. Da legte
sich der Kothauer Scholz Valentin Fechner ins Mittel, kaufte das Dorf
am 4. 9. 1615 für 2000 Taler von Friedrich von Knobelsdorff zurück
und übergab es am 14. 9. dem M a g d a l e n e r i n n e n k l o s t e r .
Fechner schenkte dem Kloster von der Kaufsumme 800 Taler und
erhielt dafür vom Kloster einen Schutzbrief über die Scholtisei44.
Uns macht die Episode Kothau deutlich sichtbar, wie sehr sich die
Gutsuntertänigkeit schon um 1600 verstärkte — im Vergleich zu einer
geistlichen Herrschaft. Wirtschaftlich ging es dem Rückersdorfer
Gutsherrn schlecht, er mußte auf das Rittergut viele Hypotheken auf-
nehmen und schließlich 1622/23 den Anteil Küpper an Hans von
Glich und Miltzig auf Sercha, Sohrneundorf und Florsdorf bei Görlitz
verkaufen.
Um das Jahr 1619 rundete Friedrich von Knobelsdorff die Feld-
mark des Rittergutes ab, indem er drei Bauerngüter, vier Hufen
groß, zwischen dem Schloßvorwerk und Kirchvorwerk kaufte. Die
Besitzer dieser Güter waren Hein, Eichner und Großmann. ,,Von dem
ersteren schreibt sich noch die Benennung des Heinborns und der
Heinwiese her" (Schmaltz 40). Aus einem der Gehöfte bildete man
einen Vorwerkshof für Gutsvieh und Ernteerträge, der später (um
43 Steller, Schloß u. Gut R. u. seine Besitzer seit 1590 (HB 1956/2 S. 10,
1956/3 S. 4).44 Clemens Baier, Gesch. d. Stadtpfarrkirche zu Sprottau (Breslau 1932)
S. 66, 67. Steller in HB 1956/1 S. 10; 1956/2 S. 9.
29
1800) den Namen „ W e i n e r e i - V o r w e r k " führte. Um das Aus-
kaufen der Bauerngüter um 1620 zu verstehen, muß man wissen, daß
der Saganer Adel bereits ein Jahrhundert lang das Recht hatte, „ein
jeder auf seinem (Lehnsgut), Bauerngüter zur Besserung seines Ritter-
gutes an sich zu kaufen, doch daß es mit der Leute Willen geschehe"
(Privileg des Herzogs Georg von Sachsen für die Saganer Adligen
vom 14. 3. 1520; Hei. 225). Schon 1520 wurde verfügt, daß kein
Bauer ohne Erlaubnis seines Erbherrn sich von seinem Gute wenden
solle. Auch sollen desselben Bauern Kinder ihrem Erbherrn vor an-
deren um ziemliche Belohnung zu dienen schuldig sein und sich
ohne Wissen des Erbherrn vom ihm nicht (anderswohin) begeben
(Hei. 225). Vermutlich wurde 1520 nur eine bereits durch Gewohnheit
geheiligte Anschauung schriftlich fixiert. Dieses Privileg ließen sich
die Adligen 1540, 1543, 1549 und 1567 aufs neue bestätigen. Der Aus-
kauf von Bauerngütern hat daher in Rückersdorf ziemlich spät be-
gonnen. Im benachbarten Hartau waren schon vor 1580 viele
Bauerngüter zum Obervorwerk angekauft worden; ebenso entstand
in Hirschfeldau um 1580 (oder 10 bis 15 Jahre vorher) aus Bauern-
gütern und der Scholtisei das dortige Kirchvorwerk (Quelle in Anm.
12 u. 38).
Friedrichs Söhne, Maximilian II. (geb. vor 1616, gest. 1670/76) und
Hans Christoph (geb. 12. 6. 1622, gest. 21. 2. 1681, Grabstein in Rük-
kersdorf) hatten anfangs die Güter gemeinsam, die ihre Mutter
Magdalene, geb. von Gersdorf (gest. 1638), für sie verwaltete. In
dieser Zeit verheerte der Dreißigjährige Krieg das Dorf. So schrieb
der Saganer Landeshauptmann am 25. 9. 1631 an Wallenstein, daß
die Kaiserlichen im Saganischen viele Dörfer „ganz ausgeplündert
und in Grund verderbet, also daß den armen Leuten nichts mehr
als das elende dürftige Leben übrig verblieben". Schon in den Som-
mermonaten vorher nahm das Rauben und Plündern der einquartier-
ten Reiter Überhand, dazu breitete sich wiederholt die Pest aus45. Da
die Gutsherrschaft von den verlassenen Bauerngütern keinen Erb-
zins erhielt, machte sie (zwischen 1623 und 1638) aus drei wüsten
Gehöften im östlichen Oberdorf ein neues Vorwerk, „ d i e B a c k e -
r e y " (so heißt es in der Visitation von 1679, Jungnitz 278), genannt
nach einem Bauern Melchior Becker.
Nach dem Tode der Mutter teilten die Söhne formell das Gut am
4. 11. 1638, doch wurde die Teilung infolge der Kriegswirren erst
45 Matuszkiewicz-Steller, Unsere Sagan-Sprottauer Heimat (Köln 1956)
S. 71, 72. Über die Zeit des Dreißigjährigen Krieges in Sagan u. Umgebung
vgl. Hermann Hoffmann, Die Saganer Jesuiten u. ihr Gymnasium (Sagan.
1928).
30
1653 vollzogen. Maximilian erhielt den väterlichen Anteil von
Großenborau (Nachbarort von Rückersdorf) und den nördlichen Teil
von Rückersdorf (halbes Kirchvorwerk und die Beckerei), aber schon
1654 mußte er diese Rückersdorfer Hälfte an seine Schwester, ver-
mählt mit Wenzel Rudolph von Stentsch auf Prittag, Kr. Grünberg,
abtreten. Diese Hälfte kam durch Kauf am 6. 7. 1683 wieder zum
Rittergut Rückersdorf zurück.
Hans Christoph von Knobelsdorff (1622—1681) spielt eine wichtige
Rolle in der Geschichte der Kirche. Er hatte 1653 ein unerfreuliches
Erbe übernommen: Das Gut war verschuldet, die verstrauchten
Äcker lieferten keine Erträge, die Hälfte aller Stellen im Dorf war
unbewohnt und brachte keinen Grundzins ein. Dazu drängten die
Gläubiger. Da kam es 1656 zu einer damals üblichen „Entschuldung".
Eine Kommission des fürstlichen Hofgerichts Sagan taxierte das
Gut, indem sie den derzeitigen Wert jedes Gebäudes, die aussaat-
fähigen Äcker usw. bewertete. Die Erbzinsen der bewohnten Bauern-
güter wurden zusammengezählt, während die Erbzinsen der wüsten
Höfe nur zur Hälfte angesetzt wurden. Die jährlichen Zinserträge mit
20 multipliziert ergaben den Kapitalwert. So ermittelte man den
derzeitigen Wert des Gutes. Für diesen Preis wurde das Gut Rückers-
dorf (genauer: der Anteil des Hans Christoph von Knobelsdorff) in
den Kreisen Sagan, Sprottau und Freystadt in den nächsten drei
Monaten zum Verkauf ausgeschrieben. Jeder Gläubiger oder son-
stige Käufer konnte Rückersdorf zum Taxwert erwerben. Als sich
nach Ablauf der Frist kein Käufer meldete, war das Gut „entschul-
det", aber weiter Eigentum des früheren Besitzers46. Die Gutstaxe
beschrieb auch den sehr heruntergekommenen Rittersitz. Er war
zweigeschossig, auf einem massiven Erdgeschoß war ein zweites
Geschoß aus Fachwerk.
Im Jahre 1660 nahm eine vom Saganer Herzog Wenzel Eusebius
von Lobkowitz eingesetzte Kommission eine Aufstellung des ganzen
Fürstentums vor. Bei jeder Stelle wurde der derzeitige oder frühere
Besitzer ermittelt, der derzeitige Zustand (bewohnt oder wüst) fest-
gestellt und bei den Bauerngütern die Hufenangabe hinzugesetzt47.
46 Eine etwa 20 Seiten umfassende Akte lag im Amtsgericht Sprottau,
Grundakten Rg. R. Vol. I. Darin war eine Beschreibung des Schloßvorwerks,
des Schlosses usw. enthalten.
4 7 HA 74, 3. Im z w e i t e n Band ü b e r den Priebuser Kreisteil (Rep. 37 VIII
1 m) berichtete die Kommission bei Bogendorf, daß die Äcker so v e r w a c h -
sen waren, daß man nicht mehr durchkriechen konnte. Klein-Selten lag bis
1694/1700 wüst. Wällisch war 1660 mit Birken, Weiden und Tannen über
31
Nur das Ergebnis kann heute noch mitgeteilt werden (St. Gru. 158).
In Rückersdorf waren drei Vorwerke (Schloß-, Kirch- und Beckerei-
Vorwerk), zu denen im Laufe des Krieges 6 Bauerngüter gekommen
waren. Ferner waren 1660 43 Bauernhöfe vorhanden, von denen 5
wüst lagen. 11 Bauern hatten erst kürzlich wieder mit dem Anbau
begonnen und waren daher noch steuerfrei. Von den 19 Gärtner-
stellen lag eine einzige wüst. Schlimmer war es mit den Häusler-
stellen: von 50 Stellen lagen hier noch 31 wüst. Im ganzen waren
von 112 Stellen 37 wüst. — Zum Vergleich seien hier die Zahlen von
1688 mitgeteilt: 41 Bauern, 21 Gärtner, 19 Häusler, 3 Windmüller,
alles Deutsche, mit Ausnahme eines Müllers (Jungnitz 733).
Am 1.1. 1670 wurden zwei neue S c h ö f f e n b ü c h e r angelegt,
da die alten Bücher während des Krieges vernichtet worden waren.
Ein Buch wurde für die „Große Gemeinde" (d.h. für die Bauern),
ein zweites für die „Kleine Gemeinde" vorgesehen. Die Kaufver-
träge der derzeitigen Besitzer wurden eingetragen, so daß die Kauf-
verträge bis 1649 zurückgingen. Viele Kaufbriefe geben ein erschüt-
terndes Bild vom Zustand des Dorfes. Das letzte Bauerngut lag noch
1681 wüst. Die Gemeinde selbst baute ein Wohnhaus auf, räumte
den Brunnen aus, umgab ihn mit einer neuen Holzeinfassung (Zieh-
brunnen); vom Kaufgelde wurden die langjährigen Forderungen der
Kirche und Schule usw. beglichen. „Wir erfahren, daß das zuletzt von
Paul Sander bewohnte Gut vor dem Kriege zwei Güter waren und
vom heruntergekommenen Gut keine Schwelle oder Säule mehr zu
finden war. Auch das Gut von Ernst Pfuhl und Kurt Beutner waren
zwei Güter. Im letzteren Falle lag die dazugekommene „Tietzei" auf
der gegenüberliegenden Dorfseite. Der letzte Besitzer hieß Adam
Tietze, und das Gut war von 1633 bis 1666 brach. Hier ist auch das
ganze Geschäft um dieses Gut protokolliert. Der damalige Inhaber
des Beutnerschen Gutes hieß Battermann. Der damalige Geistliche
bekam soviel Saganische Mark, der Kirchschreiber soviel, zuletzt
blieb ein Betrag für Scholz und Schöffen, welcher anscheinend ver-
zecht wurde. Ein verwüstetes Gut zwischen Löthe und dem kleineren
Gut von Adolf Fiedler wurde von den Vorgängern von Löthe und Bern-
hard Schulz geteilt, weil drei auswärtige Bewerber ihr Recht auf das
Gut nicht nachweisen konnten. Otto Eberts Vorfahr kam in das ihm
zuletzt gehörige Gut, weil der Vorbesitzer dasselbe „verwildern und
verstrauchen" ließ. Letzterem wurde eine Gärtnerstelle zugewie-
und über verstraucht; nur eine alte Brunnensäule war noch vom Dorfe zu
sehen. — Der Verf. hatte seit 1938 das Manuskript druckfertig vorliegen;
nun ist es verloren.
32
sen... Ebenso liest man im Schöffenbuch, daß für den ehemaligen
Schäfer, Brauer, Vogt usw. eine kleine Häuslerstelle (vom Gutsherrn)
errichtet wurde. Es wohnten der Nachtwächter vor dem Toreingang
des Schloßvorwerks, ,,des gnädigen Herrn reisiger Knecht" an der im
Laufe der Zeit entstandenen Dorfstraße (Schulz).
Hans Christoph von Knobelsdorffs zwei Söhne Georg Friedrich
und Christoph Gottlob (später auf Mittelvorwerk Hirschfeldau, seit
1701 auf Cunzendorf Kr. Sprottau) besaßen das väterliche Gut
Rückersdorf bis 18. 7. 1684 gemeinsam, dann Georg Friedrich allein
bis 1709. Aus dieser Zeit sind drei Tatsachen bemerkenswert. Durch
ständige Aufnahme von Darlehen wurde das Rittergut immer weiter
verschuldet, so daß der Nachfolger 1709 rund 40 000 Taler Schulden
übernehmen mußte. Das im Laufe der Zeit immer baufälliger gewor-
dene S c h l o ß wurde um 1690 neu gebaut und neben dem Schloß-
portal eine Sandsteintafel in Barockmanier mit Wappen und In-
schrift angebracht, die man bei einem späteren Umbau 1759 in den
linken Torpfeiler des Kirchvorwerks einmauerte und die hier bis etwa
1935 blieb. Die Inschrift bezeichnete Georg Friedrich von Knobels-
dorff als Erbauer des herrschaftlichen Schlosses (Schmaltz 41). Die
Untertanen mußten mehr arbeiten, wenn die Herren bauten. So ver-
mehrten sich die Gutsdienste, und die Folge war, daß es seit 1680
wiederholt zu Aufständen der empörten Bauern kam (HA 62, 19;
62,20; 79,28). Auch die Geld- und Getreideabgaben wurden laufend
erhöht, wie die Streitigkeiten der Gemeinde mit dem Gutsherren
wegen des „Hundehabers", 1702/03 zeigten. Zu den Treibjagden
mußte jeder Bauer ursprünglich seinen Hofhund mitbringen, dann
wurde die Haltung eines Jagdhundes zur Pflicht gemacht. Aber als
man auf dem Rittergut einen eigenen Hundezwinger anlegen wollte
und dafür als Ausgleich von jedem Bauern eine bestimmte Menge
Hafer Jahreszins verlangte, machte die Bauernschaft nicht mehr mit.
Georg Friedrich von Knobelsdorff starb 1710/11. Er überließ das
Gut am 1. 8. 1709 seinem einzigen Sohn Friedrich August (geb. 1678,
gest. nach 1747). Aus seiner Besitzerzeit liegen keine Beschwerden
der Bauern vor. Er mußte sich jahrzehntelang mit den vom Vater
übernommenen Schulden herumplagen und schließlich am 24. 11.
1736 Rückersdorf den Gläubigern abtreten. Er hatte nur eine Toch-
ter, geb. 1722, gest. 1797, nach Schmaltz angeblich zwei Töchter. „Sie
lebten noch in den ersten Jahren des gegenwärtigen (19.) Jahrh. in
Freystadt in großer Dürftigkeit, aber die Liebe der ehemaligen
Untertanen ihrer Eltern überließ sie nicht dem völligen Mangel. Sel-
ten besuchten die Rückersdorfer Freystadt, ohne ihnen ihre fortdau-
3 Archiv 33
ernde Anhänglichkeit zu beweisen." (Schmaltz kam 1820 nach Rük-
kersdorf und konnte bei seinem Amtsantritt noch glaubwürdige Per-
sonen sprechen.) Im Jahre 1716 wurde das Rittergutsland um ein
Bauerngut an der Wittgendorfer Grenze vermehrt, das wohl eine
Hufe hatte, sein letzter Besitzer hieß (nach Schulz) Tauchritz. Dieses
Gut führte bis 1945 den Flurnamen „Wüstes Gut". Der Verfasser war
anfangs der Meinung, daß der Name auf die Folgen des Dreißig-
jährigen Krieges hinweisen müßte. Aber dieses Gut wurde weder im
Schöffenbuch noch in der Bestandsaufnahme von 1660 als wüst
bezeichnet; es war vielmehr von 1650 bis nach 1700 angebaut.
„Wüst" bedeutet hier „bauernleer". In die Schöffenbücher wurde der
Übergang des Gutes in den Besitz des Rittergutsbesitzers nicht ein-
getragen.
E) Die Besitzer des Rittergutes von 1740—1945
In den letzten 200 Jahren hatte das Rittergut (seit 1875 das Schloß-
vorwerk) folgende Besitzer:
Gräfin von Reuß 1744—1781,
Gräfin von Cosel 1781—1792,
(v.) Franke 1792—1881,
Maetschke 1881—1945.
Von den Gläubigern des Friedrich August von Knobelsdorff kaufte
Gut und Dorf Rückersdorf als Meistbietende für 100 000 Gulden
(66 666 Rtl.) am 10. 6. 1744 die Frau Amalie Esperance R e i c h s -
g r ä f i n v o n R e u ß geb. Gräfin von Wartensleben und Flodroff
(geb. 17. 3. 1715, gest. Berlin 22. 4. 1787). Sie war seit 7. 6. 1743 die
Gattin des Grafen Heinrich IX. Reuß (geb. Köstritz 15. 9. 1711, gest.
Berlin 16. 9. 1780). Der Graf übernahm am 21. 11. 1752 die Herrschaft
Primkenau (bis 1781 im Reußschen Besitz); seine Mutter (gest. 1776)
war seit 1689 die Erbin und Besitzerin von Dittersbach bei Sagan.
Graf Reuß war kgl. preuß. Etats-, Kriegs- und dirigierender Minister
beim General-, Oberfinanz-, Kriegs- u. Domänen-Direktorium in Ber-
lin.48
Für die Dorfgeschichte sind aus dieser Zeit drei Dinge wichtig:
1. Im Jahre 1759 wurde das S c h l o ß umgebaut. Das Aussehen
desselben um 1750 hat uns der bekannte schlesische Zeichner Wern-
48 Nachrichten über die Grafen Reuß im Kr. Sprottau siehe Steller, Die
friderizianische Kolonie Reußenfeldau bei R., Kr. Sprottau (Sprottau 1936).
34
her festgehalten.49 Die Zeichnung zeigt den Gutshof aus der Vogel-
schau. Auf einem hohen Mast war ein Taubenhaus. Eine Lindenallee
führte zum Schloß, das mit Wallgraben und Zugbrücke versehen war.
Beim Umbau 1759 wurden die Wappentafeln der von Knobelsdorff
entfernt, die Nordseite des Zentralbaues erhielt einen kleinen Turm.
Die in den Turmknopf eingelegten Urkunden von 1759 fand man 1922
beim Öffnen der Kapsel. Es wird zwar 1764 von Bau und Reparatur
des Schlosses gesprochen (Codex 31,11), aber diese Jahreszahl ist
zweifelhaft.
2. Der Gutsherr wohnte in Berlin; Amtsleute verwalteten das
Rittergut. Diese Amtsleute, u. a. Oberamtmann Karger, versuchten,
die Untertanen zu e r h ö h t e n D i e n s t e n zu zwingen. Mehrfach
haben die Bauern geschlossen gestreikt. Wurde ein Bauer wegen
Ungehorsamkeit zur Strafe in den Stock gelegt — der Stock bestand
aus zwei übereinandergelegten, an den Enden geschlossenen Balken
mit zwei Löchern, durch die die Beine gesteckt wurden — so verwei-
gerten die übrigen Bauern tagelang die Hand- und Spanndienste.
Im Schloßarchiv Rückersdorf gaben die Berichte der Verwalter an
den Grafen in Berlin ein interessantes Bild von den Spannungen
zwischen der Gutsherrschaft und der Bauernschaft.50 Die Bauern er-
reichten dadurch, daß sie nur viermal in der Woche auf dem Gutshof
erscheinen mußten (2 Tage Fuhrdienste, 2 Tage Handdienste), im
Gegensatz zu den Nachbardörfern Hartau, Wittgendorf, Herwigs-
waldau, deren Bauern wöchentlich sechsmal auf dem Rittergut
Robotdienste tun mußten (Quelle vgl. Anm. 12). Im Jahre 1763 wurde
eine Dorf- und Gutsübersicht angelegt: Beschaffenheit des Dorfes,
Umstände der Einwohner und Untertanen, der Müller und der Fische-
rei, Verordnungen betr. Brau- und Branntweinbrennerei (Codex
31, 11). Der Verfasser hatte eine (jetzt verlorene) Abschrift angefer-
tigt; diese Dorfbeschreibung hätte eine besondere Veröffentlichung
verdient. Vermutlich wurde sie angelegt, um Unterlagen für eine
neue Verpachtung des Rittergutes zu haben. Sehr aufschlußreich war
u. a. die Beköstigung des Gutsgesindes, für das der Speiseplan für
jeden Tag der Woche angegeben war. Fleisch gab es nur viermal im
Jahre, bei den großen kirchlichen Festen und bei der Kirmes. Dann
wurden aber ungeheure Mengen vertilgt. Sonst gab es täglich bei
den drei Mahlzeiten nur Mehlsuppen, Hirsebrei, Erbsen, Graupen,
49 Die Zeichnung des Schlosses R. enthielt das Exemplar der Breslauer
Stadtbibliothek (Foto bis 1945 im Laubemuseum Sprottau). — Ein Bild des
Schlosses von 1935 in HB 1957/4 S. 13.
50 Steller, Die Rückersdorf er Bauern kämpfen (Sprottauer Tgbl. v. 1. u.
6. 1. 1935).
35
zwischendurch ein Stück Käse, sonntags etwas Butter. Die übrigen
Dorfbewohner werden nicht besser gelebt haben; die Kartoffel war
in Rückersdorf noch unbekannt.
3. Unter Graf Reuß wurde 1776 im Oberdorf die K o l o n i e
R e u ß e n f e l d a u angelegt, über diese Koloniegründung hat der
Verfasser 1936 eine besondere Schrift veröffentlicht (vgl. Anm. 48).
Auf Vorschlag des Hof- und Kriminalrats Georg Christoph Knappe
in Glogau, der die Patrimonialgerichtsbarkeit auf den Gütern des
Grafen Reuß ausübte, wurde ein Dorf mit 20 Stellen angelegt, wofür
Graf Reuß schon im April 1776 die kgl. Beihilfe von 3000 Rtl. erhielt.
Da das Obererbe, das zum Beckerei-Vorwerk gehörte, nur eine Hufe
umfaßte und für die Kolonieplanung zu schmal war, wurde am
20. 8. 1776 mit dem Bauern Christian Beltner — das Gut besaß 1945
Ewald Stenzel, Nr. 17 unserer Karte — verhandelt, daß er seine halbe
Hufe, abseits vom Wohngut, dazu hergebe. Beltner trat den Acker
ab, er wurde dafür von allen herrschaftlichen Diensten und Fuhren
befreit und ab Martini 1776 der zweite Freibauer in Rückersdorf. Seit
1696 war schon das Gut Nr. 104 (1945 Preiß) von allen Ritterguts-
diensten befreit worden; aus welchen Gründen ist jetzt nicht mehr
feststellbar.
Den Bau der Koloniehäuser übernahm der Pächter des Gutes
Rückersdorf, der Amtmann Georg Siegmund Neumann (1733—96; seit
23. 6. 1773 Pächter von Rückersdorf, seit 1. 7. 1777 noch Pächter von
Dittersbach, das er offiziell 1787 kaufte). Ende 1776 waren drei Häu-
ser fertig, drei weitere im Rohbau; die übrigen Häuser wurden im
Frühjahr und Sommer 1777 gebaut, mit Ausnahme des Wirtshauses
an der Straße Sprottau-Freystadt (Grenze mit Großenborau), das als
letzte Stelle am 28. 11. 1778 Friedrich Großmann aus Rückersdorf
kaufte, (über die Einrichtung des Gerichtswesens vgl. Anm. 42.)
Die Dorfstraße der Kolonie verlief auf dem früheren Grenzrain
zwischen dem herrschaftlichen Obererbe und der von Beltner abge-
tretenen halben Hufe. Auf jeder Seite dieses etwa l3/4 km langen
Weges zwischen der Rückersdorfer Dorfstraße und der Freystadt-
Sprottauer Chaussee wurden 10 Stellen erbaut. Jeder Siedler hatte
ursprünglich seine Ackerfläche (zwischen 7 und 10½ Morgen) beim
Hause. Auf der Nordseite blieb zwischen den Häusern Nr. 6 und 7
eine größere Lücke, da hier vor der Gründung ein Wiesengelände
war, das auf alle Stellen aufgeteilt wurde. Reußenfeldau hatte nur
eine Gemeindeflur von 70,3790 ha und zählte 1787 80 evangelische
Einwohner. Die Kolonie wurde 1927 an das elektrische Lichtnetz an-
geschlossen und am 1. 4. 1929 in Rückersdorf eingemeindet.
36
Die nächste Besitzerin war die verwitw. Friederica Christina
R e i c h s g r ä f i n v o n C o s e l (bzw. Cosell) geb. Gräfin von
Holtzendorf. Sie kaufte am 24. 7. 1781 Rückersdorf und Reußenfeldau
für 70 00 Rtl. Die alte Dame — das Bild im Schloß Rückersdorf zeigte
ein gütiges Gesicht — lebte meist auf ihrem Schloß Saabor (=Fürsten-
eich). Ihr verstorbener Mann Friedrich August Graf von Cosel (geb.
1712, gest. als General der Infanterie zu Saabor 15. 10. 1770) ent-
stammte den bekannten Beziehungen des sächsischen Königs August
des Starken und der Gräfin von Cosel. Das Gut Rückersdorf ver-
waltete der Amtmann Gottlieb Heinrich F r a n k e , der schließlich
1792 Rückersdorf von der Gräfin Cosel kaufte. Unter Franke be-
gannen erneut die Bedrückungen der Bauern. Franke wollte die
Bauern zwingen, das 1794 fertig gewordene Urbar — es legte die
Dienste jedes Untertans fest — zu unterschreiben, aber die Bauern
weigerten sich mit Erfolg (Urbar 1945 im Schloß Rückersdorf). Franke
war ein ehrgeiziger Streber. 1789/91 erwarb und verkaufte er die
Rittergüter Ober-, Mittel- und Nieder-Kottwitz (Kr. Sagan). Über die
sensationelle Steigerung des Kaufpreises in dieser kurzen Zeit wurde
einmal in der Zeitschrift des Vereins für Gesch. Schles. berichtet. In
Rückersdorf erzählte man noch 1945, daß die Gräfin von Cosel das
Dorf 1792 arm verlassen habe, während ihr Amtmann Franke reich
geworden sei! Franke erwarb 1805 von der Generalin Marie Char-
lotte Elisabeth von Franckenberg das ganze Dorf Hirschfeldau. Am
6. 7. 1798 wurde in Berlin der Adelsbrief für Gottlieb Heinrich Franke
ausgestellt (Orig. Pergament in Messingkapsel 1945 im Schloß
Rückersdorf). Kurze Zeit darauf wurde er zum Landrat des Kreises
Sagan ernannt. Unter ihm war die Franzosenzeit in Rückersdorf. Der
jüngste seiner zwei Söhne, der 1813 im Alter von 22½ Jahren an
einer Seuche starb, die die heimkehrenden Soldaten der großen
Armee ins Dorf geschleppt hatten, hat seine Beobachtungen bei den
französischen Einquartierungen und beim Rückzug der großen Armee
sehr fesselnd niedergeschrieben. Vom Schlosse aus konnte der junge
Franke die langen verwahrlosten Kolonnen sehen, die auf der alten
Saganer Straße über die Rückersdorfer Gemarkung in Richtung
Sagan zogen.51
51 Steller, Die Große Armee im Kr. Sprottau. Sonderdruck des Sprottauer
Tgbl. (Sprottau 1935). Die Schrift, die voraussichtlich 1965 im HB nochmals
zum Abdruck kommen wird, bringt auf S. 19 die Wiedergabe einer Urkunde,
die G. F. v. Franke am 1.8.1817 bei Erneuerung des Schloßturmes in den
Knopf einlegen ließ. „Das Gut Rückersdorf hat während der Kriege von
1806—15 ungeheuer viel gelitten. Es ging 1812 so wie 1806 und 1807 sehr
viel Zugvieh in Polen verloren, die Lieferungen waren ungeheuer. Im Som-
mer 1813 verlor der Ort beim Abmarsch der (sächsischen) Armee fast das
ganze Vieh."
37
Von Franke starb am 4. 7. 1814 in Sagan, „mitten in seinem land-
rätlichen Beruf, vom Schlage gerührt,... und wurde in hiesigem Erb-
begräbnis am 6. 7. beigesetzt" (Schmaltz 42). Ihm folgte sein ältester
Sohn Gottlob Friedrich von Franke, der aus wirtschaftlichen Gründen
am 30. 1. 1817 Hirschfeldau an Ernst Friedrich Wilhelm von Knobels-
dorff verkaufen mußte. Aus seiner Zeit hat sich die Nachricht eines
alten Rechtsbrauches erhalten. Als am 8. 4. 1819 ein Busch und ein
Ackerstück zwischen dem G. F. von Franke und dem Gerichts-
kretschmer Hertel (Nr. 40) ausgetauscht wurde, legte man bei der
Neufestsetzung der Grenze unter jeden Grenzstein die nötigen
Grenzzeichen an Ziegelstücke und Glas. Ferner rief man den 15jähri-
gen Sohn Karl Friedrich des Freihäuslers und Gerichtsmannes Arlt
zur Anlegung der Grenzsteine herbei und gab, ihm „zu lebhafterer
Erinnerung daran ein paar Backenstreiche".52
G. F. von Franke starb am 16. 3. 1824 an den Folgen eines
unglücklichen Schusses, der ihm auf einer Jagd im Kosler Revier der
Herrschaft Naumburg a. B. das rechte Knie zerschmetterte. Er war
unvermählt geblieben, hatte aber mit der (im Schloß dienenden)
Tochter des Dreschgärtners Hähnel53 einen Sohn und eine Tochter,
die ihn beerbten. Gottlob Heinrich Franke trat nach erlangter Voll-
jährigkeit 1838 den Besitz des Gutes an. In den Akten des Schlosses
Rückersdorf waren noch die ablehnenden Bescheide vorhanden, die
er aus Berlin erhielt, als er 1838 beim Ministerium und 1840 bei der
Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. versuchte, das Adelsprädikat
zurückzuerhalten. Das hinderte ihn aber nicht, alle Schriftstücke mit
„Gottlob Heinrich Franke, genannt von Franke" zu unterzeichnen.
Als er 1875 bei der Teilung des Gutes auf der Ostgrenze des Schloß-
vorwerks ein Erbbegräbnis in Form einer Kapelle erbaute, ließ er
die Särge der adligen Vorfahren dorthin überführen, damit er — wie
man das noch 1945 im Dorf beurteilte — mit einem gewissen Recht
,,v. F." über die Grufttür anbringen lassen konnte. G. H. Franke teilte
1875 das Rittergut in zwei gleiche Teile. Sein Sohn Karl erhielt das
Schloßvorwerk mit dem wüsten Gut, während die Tochter, vermählt
mit Leutnant a. D. B r e h m e r , das Kirchvorwerk und die Beckerei
bekam. Für Brehmer wurde ein neues Wohnhaus im Kirchvorwerk er-
52 G u s t a v Schönaich, Schles. Grenzaltertümer, Zeitschrift 38, 1904, S. 378.
A b g e d r u c k t in HB 1937/4 S. 14.
53 Die Gärtnerstelle lag südl. des Schloßvorwerks am Rotbusch (daher
„Rotbuschhähnel"). In dieser Stelle waren die Hähnel schon 1595 ange-
sessen (noch 1945). — Beim Umbau des Fachwerkhauses um 1928 fand man
etwa 120 Silbermünzen von 1620.
38
baut. 1898 ging das Brehmersche Rittergut in Konkurs, und das
Ackerland an der Ost- und Westgrenze des Kirchvorwerks wurde
in kleinen Parzellen an viele Dreschgärtner und Häuslerstellen in
Rückersdorf verkauft. Die Besitzer von Reußenfeldau erwarben viele
Parzellen von der Beckerei, so daß sich durch diesen Konkurs die
wirtschaftlichen Grundlagen der Dorfbewohner verbesserten.54 ,,Von
den ungefähr 1300 Morgen blieben vom Kirchvorwerk nur die Ge-
bäude mit ca. 500 Morgen Land und von der Beckerei ein Bauerngut
mit etwa 100 Morgen" (Schulz). Das Restgut des Kirchvorwerks, 1899
unter Nr. 155 in den Gemeindebezirk eingegliedert, hatte nach dem
Grundbuch folgende Besitzer: Walther 1899, Graf von Westarp 1899,
Scholze 1901, Karl Kienitz 190455, Schlesische Landgesellschaft in
Breslau 1939—45. Das Restgut der Beckerei, seit 1899 mit der Haus-
nummer 156, besaß von 1899 bis 1945 Krause, zuletzt bewirtschaftet
von Gutspächter Peter.
Karl Franke starb im Jahre 1880 und hinterließ einen Sohn Hans,
der zu gleicher Zeit etwa 14jährig an Tbc starb. Die Witwe Marga-
rete geb. Stentzel heiratete 1881 den Kaufmann und Stadtrat Hein-
rich M a e t s c h k e aus Glogau. Bis 1945 haben drei Generationen
Maetschke das Rittergut Rückersdorf — von dem nach dem 1. Welt-
kriege das wüste Gut gesiedelt wurde — bewirtschaftet: Heinrich.
Maetschke 1881—1908 (geb. 2. 3. 1840, gest. 13. 6. 1908), Fritz
Maetschke 1908—1931 (geb. 19. 10. 1865, gest. 13. 7. 1931), Hans
Maetschke 1931—1945 (geb. 4. 3. 1894, gest. 30. 4. 1947 in Tiflis/
Kaukasus in Gefangenschaft).56
54 Daher konnten 1934 in die Erbhöferolle des Amtsgerichts Sprottau
46 Erbhöfe in R. eingetragen werden. — Von den 40 alten Bauernhöfen
waren 6 länger als 200 Jahre im Mannestamm, meist aber seit 1649/60. Das
Gut Nr. 115, 1945 im Besitz von Oswald Seifert, war schon 1591 im Besitz
des Martin Seifert. Das Großmann-Gut (Nr. 56, neben dem Pfarr-Viehwege)
war schon 1516/20 im Besitz der Großmann. 1917 starb kinderlos Robert
Großmann; seine Witwe Lina Kothe hatte das Gut bis 1945 inne.
55 Karl Kienitz starb am 6. 10. 1960 im Alter v o n 85 J a h r e n in Braun-
schweig (HB 1961/1 S. 24). — Brehmer, der über 50 Jahre die Geschäfte
des Amtsbezirks R. geführt hat, starb verarmt 1922 in Wittgendorf (HB
1956/3 S. 5).
5 6 Daten nach Mitt. der Familie Maetschke. — Frau J e n n y Maetschke,
geb. Bonte, hat im Frühjahr 1955 fast 84jährig Erinnerungen an R. auf-
geschrieben (HB 1957/4 S. 12). Ihr Bericht über die Kirche um 1900/05 wird in
Teil 4 gebracht (bisher nicht veröffentlicht). Jenny Maetschke (Witwe von
Fritz M.) starb am 30. 1. 1958.
39
4. Die Kirche und ihre Geschichte
Mit der Einführung des deutschen Rechtes erhielt fast jedes große
Bauerndorf seine eigene Kirche, die meist mit einer Pfarrwidmut
ausgestattet wurde. „Seitdem ist es üblich, sich fast jedes schlesische
Dorf mit eigener, die Dorfsilhouette beherrschender Kirche vorzu-
stellen, die bei den Waldhufendörfern auch in der Gehöftzeile an
bevorzugter Stelle ihren Platz erhalten hat."57 Das gilt auch für
Rückersdorf. Von Anfang an lag das Schwergewicht des Dorfgesche-
hens im südlichen Drittel. Hier, am Rande des Viehweges nach Hert-
wigswaldau, wurde auf erhöhter Stelle die Kirche erbaut. Der vier-
eckige trutzige Kirchturm aus Feldsteinen, früher mit einem einfachen
Schindeldach, überragte die lange Dorfzeile. Eine hohe Feldstein-
mauer umgab den Friedhof, der — im Gegensatz zu den meisten
Nachbardörfern — noch 1945 die Toten der Gemeinde aufnahm. So
war die alte, wohl im 14. Jahrhundert errichtete und um 1508 einge-
wölbte Kirche bis zur Vertreibung im Sommer 1945 der Mittelpunkt
der Gemeinde. Von 1668 bis 1905 war sie es nicht — das soll die
folgende Untersuchung zeigen. Die erste Holzkirche dürfte man
schon vor 1250 errichtet haben. Die Widmut zum Unterhalt des
Pfarrers lag auf der östlichen Seite der Gemarkung am Viehweg
nach Hartau und umfaßte zwei Hufen. In den Nachbardörfern war
die Widmut in der Regel nur eine Hufe groß. In der ältesten Kirchen-
visitation von 1540 heißt es bei der Haushaltung des Pfarrers: „Bau-
fällige Behausung. Zwei Hufen Landes. 5 Fuder Wiesewachs. Holz
für die Behausung, auch ziemlich zu verkaufen. 8 Rindeshaupt kann
man halten" (Jungnitz 738, Hei. 406). Auch in den Visitationsberichten
von 1670 bis 1688 werden zwei Hufen genannt.
Im Jahre 1273 wurde der Priester Johannes in villa Rodgeri ex-
kommuniziert (SR 1421). Das Breslauer Bistumsregister nennt um
1305 die Hufen des Pfarrers. Schon vor 1317 war es strittig, wem das
Patronatsrecht der Pfarrkirche in villa Ruggeri zustand (SR 3672). Im
Jahre 1376 wird die Rückersdorfer Kirche im Freystädter Bezirk er-
wähnt. Noch 1580 gehörte die Kirche zu Rückersdorf zum Freystädter
Distrikt (Jungnitz 3). Im Jahre 1399 hieß der Pfarrer Heinrich (Hei.
339). Das sind die wenigen Nachrichten, die wir von der Kirche aus
der vorreformatorischen Zeit haben, wenn von der Zahl 1508 ab-
gesehen wird, die sich im Kircheninnern erhalten hat.
Die Einführung der Reformation in Rückersdorf darf mit dem Jahre
1530 angenommen werden. In der sächsischen Kirchenvisitation von
57 Herbert Schlenger, Schlesiens deutsche Kulturlandschaften (1950), S. 9.
40
1540 heißt es nämlich: „Lehnherr Valten Knobelsdorf. A d a l b e r -
t u s W e y s e , P f a r r e r , von Neukiepen bürtig, ist 10 Jahr allhier
gewesen, von Neuwalde anher kommen" (Jungnitz 738). Neuwaldau
war von den Saganer Augustinern (bis 1284 in Naumburg a. B.)
bald nach 1221 gegründet worden und blieb bis 1810 im Kloster-
besitz. Hier in Neuwaldau hatte die religiöse Neuerung schon um
1526 zu einer Beanstandung geführt. In einem Notariatsinstrument
vor dem Saganer Amt am 8. 6. 1526 beschwerte sich der Dorfpfarrer
von Kottwitz im Naumburger Weichbild, „daß sich der pfarrer von
Newinwalde understende, in seinem filial wider seynen willen dy
sacrament ungebeycht zu reychen". Daraufhin befahl der Saganer
Abt Jacobus seinem Neuwaldauer Pfarrer — dessen Namen nennen
die Akten nicht; es könnte Adalbert Weise sein — sich niemals mehr
der Pfarrechte von Kottwitz anzumaßen, „des sich auch der pfarrer
zu Newinwalde gehorsamlichen vorhalden". Auf die „Neuerung" im
Gottesdienst wurde nicht mehr eingegangen. Vielleicht empfand sie
der damalige Abt nicht so ungewöhnlich, da schon vor April 1527 in
den Dorfkirchen von Eckersdorf und Dittersbach „nach Lotterischer
weise" gepredigt wurde.58 Ging also Adalbert Weise 1530 von Neu-
waldau nach Rückersdorf, so ist es recht glaubhaft, von diesem Jahre
an den Beginn der Reformation in Rückersdorf anzunehmen. Valen-
tin von Knobelsdorff (gest. 1566) legte in seinen Dörfern Rückersdorf
und Niederküpper Schöffenbücher an. Im Schöffenbuch von Nieder-
küpper ließ er 1554 eine Dorf Ordnung eintragen, die christliche
Grundsätze den Untertanen vorschrieb. Diese Ordnung ließ noch
vier Punkte einer älteren Regelung erkennen, die dann um 1550 durch
Zusätze erweitert wurde.59
Unter seinem Nachfolger Seifried von Knobelsdorff (gest. 1591)
wurde 1588 die Kanzel in der Kirche erneuert. Sie trägt die Inschrift
„v. K. 1588" (Beschreibung der Bilder der Kanzel in Anm. 69). Schon
aus sehr alter Zeit stammt die Tatsache, daß die Kirche zwei Gärtner
und der Pfarrer zwei Gärtner für seine Widmut hatte. So heißt es in
der Visitation 1540 beim Einkommen des Pfarrers u. a. „2 Paar alte
Hühner Zinsen die Gärtner", beim Einkommen der Kirche: „2 Schil-
58 Abdruck bei Felician Geß, Akten u. Briefe zur Kirchenpolitik Herzogs
Georg v. Sachsen, Bd. 2 (1917) S. 552, 747. Falsch ist, w a s Hei. 369 ü b e r den
Neuwaldauer Pfarrer aussagt; die „unvorschempte bestia" bezieht sich auf
den Kottwitzer Pfarrer. — Leider ist der 3. Band des Werkes v o n Geß
(1528—39) bisher nicht erschienen.
59 Rep. 37 Ortsakten Küpper. Diese Dorfordnung wurde vom Verf. im
Sprottauer Tgbl. v. 30. 6. 1935 („Eine Dorfordnung aus der Reformations-
zeit, 1554") veröffentlicht, ebenso in der Niederschles. Allgem. Ztg. 1935.
41
linge Zinsen. 12 Gr. geben zwei Gärtner. Die Kirche hat die Vieh-
wege zu besäen, das dritte Jahr gibt der Lehnsherr 1 Mark, wenn er
den Viehweg besäet" (Jungnitz 738). Auch die Kommission bei der
Visitation am 13. 1. 1670 vermerkt die Tatsache, daß zwei derartige
Gärtner unterschieden wurden. In ihrem Bericht heißt es: ,,2 Hufen
Acker hat der Pfarr. Eine Wiese zu 4 Fuder Heu, in den Gärten
2 Fuder Heu. Zwei Gärten gehören zur Widmut, darinnen sind sehr
viele junge Stämme gepfropft. Zwei Gärtner hat der Pfarr, die ihm
die Arbeit tun müssen. Davon haben sie ein gewisses. Die Kirche
hat auch absonderlich vor sich zwei Gärtner. Wenn es bei der Kirche
und dem Pfarrhaus zu tun gibt, müssen sie es verrichten" (Ste. 79;
vgl. Anm. 62). 1679 und 1688 hießen die zwei Kirchgärtner Georg
Dittrich und Christoph Nitschke, die Pfarrgärtner Michel Riediger
und Christoph Dietrich (Jungnitz 277, 733). Auch die Schöffenbücher
achten genau auf diese Unterscheidung.
Von den evangelischen Pfarrern vor 1600 ist nur der Magister
J o h a n n e s B u c h w e l d e r bekannt, der 1591/92 in Rückersdorf
tätig war. Sein Vater war der Sprottauer Stadtschreiber Matthes
Buchwelder, geb. 1536 in Bunzlau; er erhielt 1568 das Sprottauer
Bürgerrecht und starb am 23. 12. 1585. Sein Sohn Johannes war
1606/10 Pfarrer in Goldberg, dann in Strehlen, wo er 1632 starb,
wohl 60 Jahre alt.60 Im Visitationsbericht der Kirche Rückersdorf
von 1679 wird von einem Legat des „ J a c o b u s M e t s c h k e , olim
hie pastor Lutheranus 1609 die lunae post Letare" gesprochen (Jung-
nitz 277). Im Jahre 1627 verstarb in Rückersdorf der Pastor U r b a n
L a n g e , der in Tauerzig (Mark) geboren und 1622 schon bejahrt
war.61 Ihm folgte von 1627 bis 1632 der Pastor P a u l G r y p h i u s ,
der zugleich die Kirche in Herwigsdorf betreute. Er war ein Bruder
des berühmten Dichters Andreas Gryphius in Glogau. Er wurde 1598
in Streidelsdorf, Kr. Freystadt, geboren, war 1622 Pfarrer in Streidels-
dorf, dann in Rückersdorf, 1632 in Freystadt, 1638 Superintendent in
Crossen, wo er 1640 starb.
In dieser Zeit geschah die erste G e g e n r e f o r m a t i o n unter
Wallenstein. Im Jahre 1629 wurden die Prediger an den meisten Kir-
chen des Fürstentums Sagan abgeschafft. Aber dann hatten Magda-
lene geb. von Gersdorf aus dem Hause Schwarza, die Witwe des
60 Aufsatz v. Matuskiewicz im Archiv f. Sippenforschung 17, 1940. Aus-
zug in HB 1956/5 S. 19.
61 Julius Rademacher, Predigergeschichte des Kreises Sprottau (Breslau
1934). Vgl. HB 1961/10 S, 17. Buchwelder u. Metschke fehlen bei Rade-
macher.
42
1623 verstorbenen Friedrich von Knobelsdorff, und die Vormünder
der beiden Söhne „den abgeschafften Prädikanten zurückgerufen
und ihn aufs neue zum Predigen aufgestellt und hierzu durch
Glockenläuten das Zeichen geben lassen". Da sie „zuhanden der
herzoglichen Vindizierung des Kirchlehns nicht statt tun", auch den
dahin verordneten katholischen Pfarrer nicht in der üblichen Weise
abholen wollten, hatte schon der Landeshauptmann Nechern einige
Untertanen der Witwe ins Gefängnis werfen lassen. Deshalb befah-
len die Kommissare der Witwe und den Vormündern, den Prädikan-
ten endlich abzuschaffen, die Kirchenschlüssel im fürstlichen Amt
abzuliefern und alles Fleißes darob zu sein, daß dem katholischen
Priester keine Unbilligkeit durch den Pöbel angetan werde (Zeit-
schrift 42, 1908, S. 232). Die Gegenreformation 1629 war aber nur
von kurzer Dauer. Später priesen die Evangelischen Sagans den
Herzog Wallenstein wegen seines „sanften" Vorgehens.
Von den nächsten Pastoren sind bekannt: M a r t i n H ü b n e r
1632—33; dann folgten Vater und Sohn als Pastoren in Rückersdorf:
von 1633 bis 1649 Magister M a r t i n K l e p p e r b e i n . Er wurde
geboren am 8. 10. 1584 in Sommerfeld, war dann in Böhmen
(Tschorn, Arnau, Ketzelsdorf, Wernersdorf bei Braunau) und Frieders-
dorf bei Sorau. Er starb in Rückersdorf am 18. 5. 1649. Ihm folgte
sein Sohn Mag. F l o r i a n K l e p p e r b e i n , geb. 17. 2. 1622 in
Altstadt (Böhmen), war 1648 Magister in Wittenberg und wurde 1649
in Wittenberg ordiniert; er betreute die Gemeinde Rückersdorf bis
zur Schließung der Kirche am 16. März 1668. Seit 1669 war er Archi-
diakon an der Glogauer Friedenskirche, wurde 1687 emeritiert und
starb am 10. 6. 1696. Sein Bild hing bis 1945 in der Glogauer Kirche.
Inzwischen wurden gemäß den Bestimmungen des Westfälischen
Friedensvertrages, wonach der Landesherr — im Fürstentum Glogau
war dies Kaiser Ferdinand III. — die Konfession seiner Untertanen zu
bestimmen hatte, die Kirchen im Fürstentum Glogau dem katholi-
schen Gottesdienst zurückgegeben. So wurden u.a. am 12. 2. 1654
die Dorfkirchen in Hartau, Langheinersdorf, Metschlau und Gieß-
mannsdorf geschlossen. In Langheinersdorf mußte S a m u e l S t e i n -
b a c h (geb. Sprottau 24. 8. 1619), wo er seit 1649 amtierte, das Dorf
verlassen. Er ging nach dem benachbarten Rückersdorf, das im
Fürstentum Sagan lag. Der Besitzer des Fürstentums Sagan, F ü r s t
W e n z e l E u s e b i u s v o n L o b k o w i t z — er hatte Sagan 1646
lehnsweise gekauft — schob immer wieder die Kirchenreduktion auf;
denn für ihn war die Wohlfahrt des Landes maßgebend. Da das
Saganer Fürstentum im Süden und Westen an sächsisches Gebiet
43
grenzte (die Stadt Sagan war nur 12 km von der Sorauer Grenze
entfernt, Naumburg a. B. und Priebus lagen an den Grenzflüssen),
konnten sich seine Bewohner leicht dem Religionsdruck entziehen.
Dazu war das Land nach dem langen Kriege furchtbar verödet. Erst
als Kaiser Leopold I. (1658—1705) drängte und Fürst Lobkowitz als
erster Berater des Kaisers dem kirchlichen Widerstand am Hofe nicht
länger trotzen konnte, gab er nach. Ein Einfluß seiner evangelischen
Gemahlin wurde früher als maßgebend angesehen, tatsächlich hat
sie die Entscheidung des Fürsten nicht beeinflußt. Aus diesen Grün-
den erfolgte die Kirchenreduktion im Fürstentum Sagan erst im Früh-
jahr 1668.62
In diesen 14 Jahren von 1654—68 hatte die Rückersdorfer Kirche, an
der äußersten NO-Ecke des Fürstentums Sagan gelegen, einen un-
geheuren Zulauf.63 Die Dorfbewohner des nördlichen Sprottauer
und des südlichen Freystädter Kreises bis hin zu den Dalkauer Ber-
gen gingen jetzt nach Rückersdorf zum Gottesdienst. Klepperbein
und Steinbach hatten sehr viel zu tun. Für die Nachsichtigkeit der
Saganer Regierung spricht die Tatsache, daß sie dies duldete. Im
Frühjahr 1663 ließ sie sich die Vokationsbriefe vieler Prediger vor-
legen, darunter auch den von Klepperbein aus dem Jahre 1649,
aber im Konzept der betr. Akte des herzoglichen Archivs war durch-
gestrichen: „wie auch Samuel Steinbachen, zu Rückersdorf sich auf-
haltend." Die kleine Kirche genügte nicht mehr für die große Menge.
Man predigte daher für die Zuhörerschaft auf dem Friedhofe; noch
1670 wird bei der Visitation ein hölzerner Predigtstuhl auf dem
Friedhofe erwähnt. Die Kollekteneinnahmen stiegen an, und so
konnte der Patron Hans Christoph von Knobelsdorff 1661 einen
neuen A l t a r in Spätrenaissanceformen in der Kirche aufstellen
lassen. Dem Verfasser ist noch bekannt, mit welch bewegten Wor-
ten der letzte Pastor Damsch den Altaraufbau erläuterte und ihn aus
protestantischem Geiste geschaffen erklärte (Beschreibung des Altars
folgt später). Auch eine neue O r g e l wurde angeschafft, die der
Schulmeister Tappert als Organist erstmalig am Sonntag Cantate
1666 zum Gottesdienst spielte (Schmaltz 43). Für die beiden Pastoren-
familien wurde das Pfarrhaus beträchtlich erweitert. So heißt es
1688, daß das Pfarrhaus in Rückersdorf sehr groß, aus Fachwerk und
mit Schindeln gedeckt ist und vom derzeitigen kath. Pfarrer wegen
6 2 Einzelheiten bei G. Steller, Wenzel Eusebius v. Lobkowitz u. die Kir-
chenvisitation im Fürstentum Sagan (Breslau 1937).63 Steller, Die Zufluchtskirche Ablaßbrunn im F. Sagan (Jahrb. d. Ver-
eins f. schles. Kirchengescii. 31, 1941, S. 33/34).
44
der Größe schlecht erhalten werden könne. Das Haus hatte vier
heizbare Räume und 16 Kammern. Ferner waren vorhanden drei mit
Stroh gedeckte Ställe, eine Scheune, eine Laube, ein Backofen, ein
Brauhaus und drei Gärten (Jungnitz 733). 1679 heißt es, daß das
Pfarrhaus vor einigen Jahren von den Andersgläubigen neu erbaut
wurde (Jungnitz 277).
Für die „Auswärtigen" legte man ein besonderes Taufbuch an,
das noch 1945 in Rückersdorf vorhanden war. Die Gesamtzahl der
Taufen der Auswärtigen betrug
1654—55
1656—60
1661—65
1666—68
48
33
" 31
56
39
33
52
35
13
29
49
30
(bis
61
49
34
März).
Fünf und mehr Täuflinge brachte man in diesen Jahren aus folgen-
den Dörfern: Altgabel 12, Alttschau 5, Gießmannsdorf 25, Großen-
borau 15, Kuhnau 5, Langheinersdorf 35, Lessendorf 13, Lindau 10,
Neustädtel 14, Poppschütz 13, Rehau 8, Scheibau 8, Windischborau 8,
Zölling 10. Im Jahre 1660 wurde sogar ein Kind aus Neusalz/Oder
in Rückersdorf getauft! Für die Bewohner aus Hartau, Sprottau usw.
kamen die Kirchen in Wittgendorf und Cunzendorf in Betracht, für
die Ortschaften am Bober oberhalb Sprottaus die Kirche in Eisen-
berg, alle drei im Fürstentum Sagan.
Über das evangelische Leben in Rückersdorf gibt Aufschluß eine
Polizeiverordnung, die Hans Christoph von Knobelsdorff am 12. 2.
1668 — also einen Monat vor der Kirchenschließung — unterschrieb
und im Kretscham aufhängen ließ.64 In den ersten beiden Artikeln
heißt es hier: ,,Als 1. soll sich ein jeder Mensch, jung und alt, zu an-
dächtigem Gebet und gehöriger Gottesfurcht, nebst Zucht, Ehrbar-
keit und fleißiger nützlicher Arbeit gewöhnen und halten, die Sonn-
tags- und festtäglichen Predigten, wie auch die sonntäglichen Cate-
chismus-Vesperlehren und die wöchentlichen Betstunden fleißig be-
suchen und mit stiller Andacht hören... 2. Sollen die Jungen und
anderes gemeines junges Pöbelvolk unter der Zeit während des
64 Die Ordnung wurde am 1. 1. 1670 in das neue Schöffenbuch ein-
getragen. Abdruck bei Schmaltz; vom Verf. mit Kommentar in HB 1956/11
S. 9, veröffentlicht. — Während des ganzen Sommers war das Vieh auf den
brachliegenden Äckern (Dreifelderwirtschaft!) zur Weide. Ein Dorfhirte
brachte abends das Vieh ins Dorf zurück. Unsere Verordnung erlaubte am
Sonntagnachmittag den Tanz im Kretscham, doch müssen „die Mägde, wenn
das Vieh hereinkommt, zu Hause sein".
45
Gottesdienstes nicht mehr — wie bisher geschehen — im Kretscham
und wohl gar auf dem Kirchhofe ärgerliches Schreien und unver-
nünftiges viehisches Blöken verüben und treiben, sonderlich sich fein
stille zur Anhörung des göttlichen Wortes einfinden!"
Am 16. März 1668, 10 Uhr, — Montag vor Palmarum — erschien
eine Kommission des fürstlich Saganer Amts zur Schließung der
Kirche in Rückersdorf und wurde hier von einer großen Menschen-
menge empfangen. Da die Kirchen in der Stadt Sagan 2—3 Tage
vorher geschlossen wurden, kam die Kommission nicht ganz uner-
wartet. Nach dem Bericht des Jesuitenpaters Gaynitius hatte sich bei
der Versieglung der Kirche auf dem Friedhofe viel Volks aus dem
Glogauer Fürstentum und aus Rückersdorf versammelt und wollte
gleichsam die Versiegler hindern, schrie aus den Psalmen zu Gott
um Hilfe, fluchte und wünschte das Feuer vom Himmel. Nach einem
anderen Berichte hätten die Leute, besonders die Weibspersonen,
geheult und geschrien. Man trug gerade ein schwächliches Kind aus
der Fremde — aus dem Dorf Altgabel, nach dem Taufbuch — herbei,
als die Kommissare ankamen. Man bat, daß es sogleich vom Prädi-
kanten in Gegenwart der Kommissare getauft werde. ,,In ihrer Ver-
wirrung und um üblen Nachreden zu entgehen, schoben die Kom-
missare ihre Tätigkeit so lange auf, bis das Kind getauft war. Wegen
dieser Tat wünschten die Leute die Kommission in den Himmel!"
Nach dem Protokoll waren die Gerichtspersonen am Tage der
Schließung: Christoph Hänel, Scholz, Michael Ebert und Christoph
Großmann, Gerichtsgeschworene. Der Patron Hans Christoph von
Knobelsdorff bat wegen der Nähe des Osterfestes um Verlängerung
des Abzugstermins für die beiden Prediger. Auch bat er, daß man
ihm eine erst vor kurzem (1666) in der Kirche von ihm erbaute Orgel
sowie einige von seinem Vater ererbten Altarkleinodien als sein
Eigentum nicht vorenthalten wolle. Die Kommissare schlugen ihm das
ab und erwiderten, daß man damit auch Gott dienen werde. Die
beiden Prediger mußten binnen 24 Stunden das Fürstentum verlas-
sen, während der Schulmeister Hans Tappert nur seines Amtes ent-
setzt wurde, aber im Dorfe bleiben durfte.
Bereits am 23. März wurde die Kirche neu geweiht, und schon im
Dezember 1668 war in Rückersdorf und Cunzendorf der Pfarrer
V a l e n t i n J o h a n n e s W e i n e r , gebürtig aus Johannisberg
bei Jauernig (in Rückersdorf noch im Januar 1670 genannt). Aber
die Dorfbewohner mieden jetzt ihre alte Kirche und wanderten nach
Wellersdorf (Kr. Sorau) und zu der einige Monate später errichteten
einfachen Grenzkirche in Jeschkendorf. Nach einer Beschwerde der
46
katholischen Pfarrer rief der Rückersdorfer Gutsherr Hans Christoph
von Knobelsdorff am Sonntage zur Zeit des katholischen Gottes-
dienstes seine Untertanen zusammen und las ihnen aus der Postille
vor. Zur Errichtung der Jeschkendorfer Grenzkirche trug der von
Knobelsdorff viel bei und ließ hinter dem Altar dieser Notkirche ein
besonderes Gestühl für sich und seine Angehörigen erbauen.65 Diese
mitgeteilten Tatsachen sind Klagen der katholischen Pfarrer ent-
nommen und daher aktenmäßig belegt. Mit Berufung auf Worbs
schreibt Schmaltz (S. 17): ,,Der Herr von Knobelsdorff ward von der
fürstlichen Regierung mit Strafe bedroht, weil er seinen Leuten des
Sonntags aus Predigtbüchern vorlas, und als er davon nicht abstand,
seines Amtes als Beisitzer des herzoglichen Mann- oder Fürstentums-
gerichts entsetzt. Dies geschah 1673." Der Verfasser hat trotz eifriger
Archivstudien keinen Beleg für diese Angabe finden können. Vermut-
lich hat Worbs Zusammenhänge konstruiert. Hans Christoph von
Knobelsdorff wurde mehrere Jahre seines Amtes als Mannrechtsbei-
sitzer enthoben, weil er mit dem Freiherrn Karl Moritz von Redern
auf Hertwigswaldau in Streit geraten war. Da Redern ihn mit unflä-
tigen Ausdrücken beschimpft hatte, lauerte Knobelsdorff ihm auf offe-
ner Straße auf und verletzte ihn an der Brust. Der Frhr. von Redern
war evangelisch, — er hatte bei der Öffnung der versperrten Ablaß-
brunner Kirche seinen Kopf riskiert. Also hatte diese Bestrafung des
von Knobelsdorff ursächlich nichts mit religiösen Dingen zu tun.
1679 war Pfarrer in Rückersdorf G e o r g F r a n z i s c u s H a c k e n -
b e r g aus Weidenau bei Jauernig (Jungnitz 277), auch noch 1688 (nach
Schmaltz bis 1690), damals 45 Jahre alt, investiert am 5. 7. 1678. Schul-
meister war 1688 Christoph Hoffmann, gebürtig aus Liebau; er hatte
den Winter über acht Schüler (Jungnitz 733). Die Dorfbewohner ließen
außerhalb taufen und sich trauen, mußten aber die Gebühren dem
Ortspfarrer entrichten. Das Begräbnisbuch, in das der katholische Pfar-
rer die Beerdigungen eintrug, war 1945 noch vorhanden. Die Visitation
vom Januar 1670 berichtet: ,,In die Kirche kommen die Leute nicht,
lassen auch nicht hier sich trauen und taufen, sondern zu Wellersdorf
im Sorauischen (1679 wird noch Jeschkendorf angegeben). Die Leute
sind ermahnt worden, in die Kirche zu gehen und die Predigten anzu-
hören. Es wäre nicht gemeint, daß man sie zur katholischen Religion
zwingen werde. Wenn sie wollten zum Abendmahl gehen, könnten sie
wohl anderswohin gehen. Item wurden ermahnt, in ihrer Kirche tau-
fen zu lassen. Wegen der Stolae Accidentien sind Pfarrer und Kirch-
kinder an die publicierte Taxordnung verwiesen worden. Die Feier-
65 Steller, Graf Promnitz contra Saganer Regierung, Archiv Bd. 3 (1938)
S. 188 ff.
47
tage werden gehalten. Wenn Ernte- und Heuzeit und es nötig ist, daß
in den Feiertagen muß gearbeitet werden sollen sie um Erlaubnis bei
dem Pfarrer bitten; der soll sie ihnen geben. Die Herrschaft klagt, daß
es der Pfarrer bisher nicht getan, sondern nur dem, wem er gewogen
gewesen. Herr Knobelsdorff klagt, daß ihm der Pfarrer in seine Juris-
dictionalia eingreifen täte. Der Pfarrer beschwert sich, daß sie sich bei
ihm nicht aufbieten ließen; er erführe es erst, wenn die Leute schon
getrauet wären. Wenn begraben wird, geht der Pfarrer mit." (Steller,
vgl. Anm. 62).
Im Herbst 1673 beklagte sich der Rückersdorfer Pfarrer im Saganer
Amt, daß die Kirche nicht repariert werde, daß er die Kirchenbücher
und den Opferpfennig nicht erhalte und daß die Rückersdorfer mei-
stens von dem von Knobelsdorff zu dergleichen angestiftet würden
(Steller, vgl. Anm. 63), 1679 erklärte Hans Christoph von Knobels-
dorff ganz offen den Kommissaren der Kirchenvisitation: „Es were
wieder sein Gewissen, weil er nicht der Religion, das Er solte einen
catholischen Pfarren praesentiren, sondern er wer gar wohl zu-
frieden, wen Ihro Hochfürstl. Durchl. und Eminentz Bischoff zu
Breßlaw jetzigen Herrn Pfarren investiren wolten" (Jungnitz 277).
Die Namen der katholischen Pfarrer bis zum Erlöschen der Parochie
1758 hat Schmaltz (S. 25) mitgeteilt: Georg Franz Hacke(n)berg 1673
(richtig ist 1678) bis 1690; Johann Joseph Beredt (im Dezemregister
1700 steht richtiger: J o h a n n e s L e o p o l d B e r n d t ) 1690 bis
1730; J o h a n n F r a n z W e i ß 1730 bis 1735; F r a n z S c h w a m m
1735 bis 1751; G e o r g N e r l i c h 1751 bis 1758.
Eine Auszählung des Taufbuches von Jeschkendorf (das bis 1945 in
der Gnadenkirche Sagan aufbewahrt wurde; andere Bücher aus
Jeschkendorf waren nicht erhalten) ergibt von 1668 bis 1677 folgende
Taufen (1. Zahl Taufen aus Rückersdorf, 2. Zahl Gesamtzahl der
Taufen in Jeschkendorf): 10/211, 16/105, 11/75, 19/96, 6/33, 29/79,
24/82, 16/58, 23/83, 25/96. Es ist immerhin überraschend, daß nach
1672 rund 25 % der in der Grenzkirche Jeschkendorf getauften
Kinder aus Rückersdorf stammten! Grundsätzlich änderte sich an den
geschilderten Verhältnissen nichts, noch 1740 war im Dorf kein ein-
ziger Katholik. Nur trat an Stelle der Jeschkendorfer Kirche 1709 die
G n a d e n k i r c h e in S a g a n . Kaiser Josef I. (1705—11) wurde
durch den Schwedenkönig Karl XII. (1697—1718) gezwungen, die Er-
bauung von sechs neuen evangelischen Kirchen zuzulassen, darunter
je eine in Sagan und Freystadt. Die feierliche Grundsteinlegung war
in Sagan am 14. Mai 170966. Zu den Männern, die die Erlangung der
66 H. B., Zum 250jährigen Jubiläum der Gnadenkirche in Sagan (HB
1959/5 S. 10).
48
Gnadenkirche für Sagan bewirkten und bei Geldsammlungen, Reisen
nach Wien usw. vom Saganer Adel abgeordnet wurden, gehörte
auch der Rückersdorfer Gutsherr Georg Friedrich von Knobelsdorff
(gest. 1710/11). Zahlreiche Akten des Archivs der Gnadenkirche in
Sagan gaben (bis 1945) seinen Namen an führender Stelle an. Wie-
viele Rückersdorfer Familien sich zu der 1709 erbauten Freystädter
Gnadenkirche hielten, ist nicht bekannt. Immerhin lag Freystadt er-
heblich näher als Sagan (10 km gegenüber 16 km).
Nachdem Friedrich der Große in Schlesien einmarschiert war und
der Friedensschluß zu Breslau 1742 den Besitz dieser Provinz für
Preußen bestätigt hatte, lebte der Gedanke nach einem eigenen
Gottesdienst in Rückersdorf auf. Nach mündlicher Überlieferung
(Schmaltz 22) kamen die Gemeindeglieder in der Gärtnerstelle Nr. 35
zum sonntäglichen Gottesdienst zusammen, den der damalige Be-
sitzer der Stelle mit Gesang der gewöhnlichen Lieder, Verlesung
einer Predigt und der Kirchengebete abhielt. Schon im Jahre 1742
wurde eine S c h u l e erbaut und ein Lehrer dazu berufen. Es war
dies Heinrich Gottfried Linke, Sohn des Pastors Gottlieb Linke zu
Weilersdorf (später zu Sagan), der am 4. 10. 1742 das Amt des Schul-
lehrers in Rückersdorf antrat und bis 1746 ausübte (Schmaltz 44). Man
bewarb sich nun um die königliche Konzession zur Erbauung eines
eigenen Bethauses und zur Berufung eines Predigers. Diese kgl.
Konzession ist datiert vom 9. 11. 1743 (Original bis 1945 im Pfarrhaus
Rückersdorf). Damals war das Rittergut in Zwangsverwaltung. So-
gleich wurde eine Scheune (Flachsscheuer) auf dem herrschaftlichen
Schloßvorwerk notdürftig zu einer I n t e r i m s k i r c h e eingerichtet.
In dieser hielt am 15. 3. 1744 der auf diese Stelle berufene Magister
C h r i s t i a n G o t t f r i e d K i e s e l die erste Predigt.
Man schritt nun sogleich zum Bau eines neuen B e t h a u s e s auf
einem zum Niederkretscham gehörenden Auengrundstück hart an der
Dorfstraße. An dieser Stelle — gegenüber dem Pfarrhaus — stand bis
1945 das Kriegerdenkmal der Gemeinde. „Für den Platz, auf welchem
die Kirche mit dem Schulhause steht, und von welchem ein Teil der
Gärtnerstelle Nr. 39 hierselbst für den zum gegenüberstehenden
Pfarrhause abgetretenen Platze zur Schadloshaltung überwiesen ist,
wurde ein jährlicher Grundzins von 1 Rtl. 24 Sgr. festgesetzt." Mit
Hilfe freiwilliger Geldbeiträge, des Verkaufs der künftigen Kirch-
stellen und Übernahme von Schulden (die bis 1759 zurückbezahlt
wurden) erbaute man das Bethaus. Es war ein Fachwerkbau, ohne
Schmuck, mit Schindeldach, und ähnelte mehr einer Scheune als
einer Kirche. Am 2. 8. 1744 fand die Weihe des neuen Bethauses
statt. Man zog aus der Interimskirche ins neue Gotteshaus mit dem
4 Archiv 49
Pfingstliede „Zeuch ein zu Deinen Toren...". „Die Namen der da-
maligen Gerichtspersonen, welche den Kirchenbau leiteten, waren
Hans Michael Härtel, Scholz; Hans Friedrich Hänsel, Christian
Wainer als Kirchenvorsteher; Andreas Fiedler, George Seifert, Hein-
rich Seifert, George Härtel, Siegmund Hänel, Samuel Pölkner, sämt-
lich ansässige Bauern" (Schmaltz 24).
Das Bethaus war nur in „sehr dürftiger und armseliger Gestalt"
errichtet worden, so daß es 1844, beim 100jährigen Jubiläum, nach
den Worten des damaligen Pastors Schmaltz „das vollkommene Bild
des Verfalls" darstellte. Aber noch weitere 60 Jahre (bis 1905) diente
das Gebäude der Gemeinde zum Gottesdienst; dann wurde es ab-
gerissen. Da im Schrifttum keine einzige Zeile über das Aussehen des
alten Bethauses vorhanden ist, gebe ich eine Mitteilung des Bauern
Otto Ebert wieder: „Ich bin am 30. 4. 1893 geboren und war von
1901 bis 1907 Chorsänger; daher erinnere ich mich gut an das 1905
abgebrochene Bethaus. Es war ein Lehmfachwerkbau mit Lehm-
ziegeln, länger als breit, innen mit einer Empore durchgehend rund-
herum, über dem Altar war die Kanzel, über dem Altar und über
dem Chor war je noch eine kleine Empore. Einige Bilder früherer
Geistlicher (darunter Pastor Schmaltz) und Gedenktafeln an die
Kriege von 1813, 1864/66, 1870/71 mit Ordenstafeln waren auf-
gehängt. 1945 stand auf diesem Platz das Spritzenhaus mit einem
Raum für den Leichenwagen; daneben war das Denkmal für die
Gefallenen des Krieges 1914/18."
Am 31. 12. 1757 hatte Friedrich der Große angeordnet, daß an den
Orten, wo weniger als drei ansässige katholische Wirte vorhanden
seien, die Parochie aufzuheben sei. Damit erlosch zu Johannis 1758
die katholische Pfarrei in Rückersdorf. „Die Kirche war erst geschlos-
sen und mit ihrem Vermögen und ihren Gütern unter Aufsicht und
Verwaltung des Patrons und des betreffenden katholischen Erz-
priesters gestellt, wobei es bis zu der am 25. Juli 1840 infolge des
darüber ergangenen Gesetzes von 1833 ausgesprochenen Er-
löschungserklärung geblieben ist. Von da an ist alles Vermögen der
erloschenen Parochie unter die Verwaltung des kgl. Fiscus gestellt"
(Schmaltz). Nach jenem Gesetz wurde im Falle des Bedürfnisses die
Überweisung des leeren Kirchengebäudes an die evangelische Ge-
meinde in Aussicht gestellt. Am 25. Januar 1844 beantragte der
Rückersdorfer Pastor Carl Gottlob Schmaltz (seit 1820) wegen "der
zunehmenden Baufälligkeit der gegenwärtigen Kirche" die Über-
lassung des alten Kirchengebäudes. Eine kgl. Kabinettsordre vom
24. 7. 1844 überwies die alte Kirche samt Pertinentien (Zubehör) zum
Gebrauche der evangelischen Pfarrgemeinde. Am 18. 10. 1844 ge-
50
schah die Übergabe der Kirche durch den Senator Jüttner aus Bunz-
lau, der vom Ministerium für geistliche Angelegenheiten zum Kom-
missar in dieser Sache ernannt worden war. „Der Ortsgeistliche
empfing im Beisein des Patrons, des Kirdienortsvorstandes und der
Gemeindedeputierten in der Kirche selbst unter einer herzlichen An-
sprache des Herrn Commissarii die Schlüssel der Kirche wieder. Unter
Läuten aller Glocken wurde von den Anwesenden gesungen: Nun
danket alle Gott. Bei der Übergabe waren dabei als Scholz und
Gerichtspersonen: Christian Hähnel, Scholz; Johann Gottfried Gros-
mann und Johann Friedrich Ebert, Gerichtsmänner" (Schmaltz 25 ff).
Den Katholiken blieb ein Mitbenutzungsrecht.
Damals (1844) gehörten zur Kirchgemeinde die 146 „Possessionen"
von Rückersdorf, die 20 Stellen der Kolonie Reußenfeldau, 31 Wirte
von Langheinersdorf, 17 Wirte von Hirschfeldau mit einer Gesamt-
zahl von etwas über 1500 Seelen. Nach F. G. E. Anders67 hatten
nach der Volkszählung von 1843 Rückersdorf 1159 (1140 ev.), Reußen-
feldau 107 (107 ev.) Einwohner. Die Gastgemeinden, die nur zum Teil
eingepfarrt waren, hatten folgende Einwohner: Langheinersdorf
1300 (1279 ev.), Hirschfeldau 1094 (902 ev.).
Nachzutragen sind noch einige Geschehnisse aus dem Zeitraum
1740/1840. Die evangelische Gemeinde hatte seit 1743 die Glocken
auf dem Turm der alten Kirche mitbenutzt. Da gab es 1786 einen Streit
wegen des Geläutes. Der Erzpriester und Stadtpfarrer Kligge zur
Sprottau, der das Kirchengut Rückersdorf mitverwaltete, versuchte,
die Gemeinde und die Herrschaft Rückersdorf zur Aufnahme von
Wirten katholischer Konfession zu bewegen (Damals bestand noch
das Untertanenverhältnis, und nicht jeder wurde einfach von der
Grundherrschaft als Untertan angenommen!). Gemeinde und Domi-
nium erklärten, daß sie wie bisher bei dem unvermischten evangeli-
schen Glauben bleiben wollten. Da drohte Erzpriester Kligge damit,
den Gebrauch der Glocken einzuschränken oder ganz zu verbieten.
Noch am Tage vor Johanni 1786 hatte im Kretscham eine Zusammen-
kunft der streitenden Parteien keine Einigung gebracht. Da zog am
Johannistage, gegen 3 Uhr nachmittags, ein schweres Gewitter auf,
bei dem ein Blitz in den Turm schlug und sofort zündete. „Der Turm
und das Kirchendach brannten aus und ab, die Glocken schmolzen,
und ein wolkenbruchähnlicher Guß löschte das Feuer, ohne daß von
den nahe gelegenen Häusern auch nur eines ergriffen wurde"
(Schmaltz 30). 20 Jahre lang blieb die Gemeinde ohne Glocken. Da
wurde 1806 der damalige Pfarrer zu Hirschfeldau Langnickel Erz-
67 Anders, Statistik d. ev. Kirche in Schles. (Glogau 1848) S. 608.
4* 51
priester und Stadtpfarrer in Sprottau, „ein billig denkender fried-
liebender Mann, dazu mit der Familie des Gutsherren von Rückers-
dorf befreundet (seit 1805 war Franke auch Besitzer von Hirsch-
feldau!) und mit vielen Gemeindegliedern in Berührung". Er ver-
sprach der Gemeinde aus dem verbliebenen katholischen Kirchen-
vermögen eine Beihilfe für n e u e G l o c k e n . Von diesen Glocken
von 1806 trug die größte das Frankesche Wappen und die Inschrift
am oberen Rande: „Johann George Krüger goß mich im Jahre 1806."
Sie wurden in Breslau gegossen. An der großen Glocke stand „Gott-
lob Heinrich von Franke, Herre von Rueckersdorf und Hirschfelde"
(Schulz). „Diese Glocken hatten einen seltenen schönen Dreiklang.
Im 1. Weltkriege war es dem Ortsgeistlichen Pastor Przyrembel ge-
lungen, diese Glocken als Altertumswerte freizubekommen, aber im
2. Weltkriege entgingen sie leider nicht der Beschlagnahme, und es
war für das ganze Dorf ein sehr trauriges Ereignis, als sie zum letzten
Male erklangen, ehe sie heruntergeholt wurden. Nur die kleinste
blieb uns erhalten"68.
Im Bethaus war die O r g e l völlig unbrauchbar geworden. Des-
halb wurde 1822 eine neue Orgel bei dem Orgelbauer Johann
Methner in Neustädtel in Auftrag gegeben und am Johannistage
(4. Sonntag nach Trin.) 1822 feierlich eingeweiht. Die Kosten von
412 Rtl. deckte die Gemeinde durch freiwillige Beiträge.
Seit 1845 hatte die evangelische Gemeinde zwei Kirchengebäude.
Wegen der neuen Kosten scheute man vorerst den Umzug; vielleicht
übten auch die Nachfolger von Pastor Schmaltz, der 1846 Rückers-
dorf verließ, nicht den dazu notwendigen Nachdruck aus. Das Innere
der alten Kirche war seit der Schließung 1758 in trostlosem Zustande.
Hans Lutsch (III 1889, S. 115), der die Kirche um 1885 besuchte,
schrieb: ,,Das Innere der zur Zeit unbenutzten Kirche ist in Verfall
und wird nur notdürftig erhalten." Frau Jenny Maetschke, die die
alte Kirche um 1900 öfters gesehen hat, schrieb: ,,Das Innere war
jedoch in einem so trostlosen Zustand, daß vorerst kein Gottesdienst
darin stattfinden konnte." Ich gebe nun Frau Maetschke weiter das
Wort. ,,1894 fand das 150jährige Jubelfest des Bethauses statt, das
zur Erinnerung an die Gottesdienste in der alten Flachsscheune mit
einem Festakt in derselben mit darauffolgendem Festzug zum Bet-
haus eingeleitet wurde. Dieses war nun leider schon recht baufällig.
Deshalb regte Pastor Przyrembel den Ausbau der alten leerstehenden
Kirche an. Mit Hilfe des Provinzialkonservators wurde ein Kosten-
anschlag aufgestellt, der den Bau auf 20 000 Mark veranschlagte.
68 Bericht von Jenny Maetschke (vgl. Anm. 56).
52
Der Geistliche versuchte nun mit seltenem Eifer, diese Gelder zu-
sammenzubringen, was ihm auch nach vieler Mühe in verhältnis-
mäßig kurzer Zeit gelang. Kaiser Wilhelm II. stiftete 3000 Mark, der
Kapellenverein, die Provinz, der Kreis, die Gemeinde, Patron usw.
gaben nach ihrem Können, so daß mit dem Bau unter Aufsicht des
Prov.-Konservators begonnen werden konnte. Dabei wurden im
Innern unter der weißen Kalkschicht herrliche alte Malereien ent-
deckt; diese wurden durchgepaust und bei der Ausmalung der
Wände mit bunten Caseinfarben verwendet. Dank der rechtzeitigen
Fürsorge des Heinrich Maetschke, der im Jahre 1880 durch Über-
nahme des Niedergutes Patron der Kirche geworden war, war es
möglich gewesen, die Kirche neu einzudecken und so vor weiterem
Verfall zu schützen und vor allem die wunderbar schönen Decken-
gewölbe zu erhalten. Ein altes Altarbild und die Bilder an der
Kanzel (mit der Jahreszahl v. K. 1588) brauchten nur aufgefrischt zu
werden. Sie stellten Szenen aus dem alten und neuen Testament
dar69. Der Orgelchor wurde vergrößert, die Orgel wiederher-
gestellt. Auch ein ganz neues Gestühl wurde notwendig. Der der-
zeitige Patron (Fritz Maetschke) wollte eine Heizanlage stiften, aber
das lehnten die Bauern ab. Ich glaube, sie haben es später bereut.
So schenkten wir den Taufstein aus schlesischem Marmor, an dem als
1. Kind unsere Tochter Margarete am 11. 6. 1905 getauft worden ist.
Der damalige Gemeindevorsteher Ernst Härtel stiftete einen großen
Kronleuchter aus Messing, der Bauer Adam, der seine Wirtschaft
neben der Kirche hatte, die Uhr für den Turm, die Jungfrauen
Messingleuchter für den Altar und den Orgelchor. Der Prov.-Konser-
vator vertrat die Ansicht, daß die alten, sehr schönen Zinnleuchter
aus dem Bethaus nicht in den Stil der Kirche paßten. So mußten es
Messingleuchter werden, die mir nie gefallen haben. Die nun über-
flüssigen Zinnleuchter kauften wir. Sie sind augenscheinlich auch ein
69 Die Bilder stellten den Sündenfall, den Durchzug der Kinder Israels
durch das Rote Meer und Jakobs Traum dar. Über der Kanzel war die Drei-
einigkeit versinnbildlicht, dazu die Inschrift: Ehre sei Gott in der Höhe. —
Über der Tür des Haupteingangs war die Gedenktafel des Freiheitskrieges
1813/15 mit 3 Namen, gegenüber über der Tür des Nebeneinganges war die
Gedenktafel für 1866, 1870/71 mit 12 Namen. An beiden Seiten des Altar-
raumes waren die 2 Gedenktafeln für die Gefallenen des 1. Weltkrieges
mit 40 Namen. — In der Mitte der ersten Bank (linke Seite) war das Kreuz
mit umflortem Kruzifix; es wurde bei jeder Beerdigung vor dem Trauerzug
vorangetragen (nach einem Bericht über die Kirche von Müller Erich Lange).
Im 2. Weltkriege sind aus der Gemeinde R. 44 (namentlich verzeichnete)
Gefallene oder in Gefangenschaft Verstorbene (HB 1962/10 S. 23, 1964/2
S.44), 6 Vermißte (HB 1963/6 S. 16), 5 Verluste der Zivilbevölkerung (HB
1963/11 S. 11).
53
Geschenk an das Bethaus gewesen; denn sie trugen eingraviert den
Namen „Fiedler". Sie haben bei uns einen Ehrenplatz gefunden!
Am 10. November 1905 konnte dieses schöne Gotteshaus feierlich
eingeweiht werden. Es war ein selten schönes Schmuckstück von
hohem Altertumswert geworden. Genau 40 Jahre lang hat sich
Rückersdorf an diesem weihevollen Raum erfreuen dürfen! Mit der
Übernahme der Kirche durch die Gemeinde war auch die Kosten-
aufbringung neu geregelt worden und damit ein alter unerquicklicher
Kirchenstreit zwischen Patronat und Gemeinde beseitigt. Durch die
1898 erfolgte Aufteilung des Brehmerschen Gutes war die Gemeinde
so viel steuerkräftiger geworden. Früher mußte das Patronat 2/3, die
Gemeinde der Kirchenbeiträge bezahlen. Von jetzt ab wurde
durch rechtskräftigen Vertrag festgelegt, daß das Patronat 1/6, die
Gemeinde 5/6 der Lasten zu tragen habe"70.
Über die Erneuerung der alten Kirche schreibt Oswald Schulz
(1875—1955), der eine alte Gärtnerstelle unmittelbar neben der
Kirche besaß und daher große Anteilnahme für die Geschichte der
Kirche zeigte, folgendes um 1950 aus der Erinnerung: „Im Jahre 1905
wurde das Bethaus aus der Zeit Friedrichs des Großen abgerissen
und dafür die alte Kirche für gottesdienstliche Zwecke wiederherge-
stellt. Reichlich 11 Jahrzehnte hatten hingereicht, daß vom Kirchen-
dach alle Schindeln heruntergefallen, daß Latten und Sparren ver-
fault waren und auf den Mauern schon Gestrüpp wucherte. Bei Auf-
räumungsarbeiten fand man die Grabdenkmäler von den zwei alten
Grundherren von Knobelsdorff, welche dann im Vorraum aufgestellt
wurden. Figur und Inschrift sind gut erhalten. Laut Inschrift hat einer
dieser alten Ritter Wien gegen die Türken verteidigen helfen. An der
anderen Seite des Vorraumes sind die Grabdenkmäler von drei
Ehefrauen eines anderen von Knobelsdorffs (von Hans Christoph von
Knobelsdorff). Unter dem Vorraum war die Familiengruft der von
Knobelsdorff. Bei der Renovierung wurden die in der Kirche ver-
blaßten alten Heiligenbilder nicht berücksichtigt. Von Malern wurde
die obere Schicht von den Wänden sauber abgeklopft und die dar-
unter liegenden Reste der alten Bemalung festgestellt. Nach dieser
Form wurde dann die Kirche gemalt. Der Altarraum wird in Tapeten-
form von großen betenden Engeln eingerahmt. Der alte Altar mit
der Jahreszahl 1661 und die Kanzel von 1588 blieben in ihrer alten
Gestalt und wurden nur ausgebessert. Vom Turm aus wurde die
Kirchenmauer zwecks Einbau einer neuen Orgel durchbrochen. Die
Kirche erhielt ein neues Ziegeldach. Der Turm wurde mit einem Blitz-
ableiter versehen und mit Schindeln neu gedeckt."
70 Wie Anm. 68.
54
Wir sind damit bei der B e s c h r e i b u n g d e s K i r c h e n -
g e b ä u d e s angekommen. Hans Lutsch schreibt über das Bauwerk:
„Die Kirche in ihrer gegenwärtigen Gestalt (1889) wurde wohl im
Spätmittelalter erbaut und nachträglich, wahrscheinlich im Jahre
1508, eingewölbt; diese Jahreszahl ist neben einer Reihe bischöf-
licher Weihekreuze erhalten. Die Strebepfeiler wurden bei der Ein-
wölbung ebenfalls nachträglich aufgeführt. Auch der Westturm
stammt aus dem 16. Jahrh., wohl erst aus der 2. Hälfte, wie die Form
der Schallöffnungen erweist. Die Kirche ist durchweg gewölbt, und
zwar der gerade geschlossene, zweijochige Chor mit einfachen
Kreuzgewölben, auf Birnenrippen, das gegen ihn erweiterte vier-
jochige, schlanke, durch gute Raumwirkung bemerkenswerte Lang-
haus mit Kreuzgewölben, die an den Chor auf der Nordseite an-
gebaute Sakristei mit Zellengewölben wie in dem benachbarten Her-
wigsdorf, Kr. Freystadt. Nach außen vorspringende Strebepfeiler
sind nur in den Turmecken angelegt. Am Chore fehlen Strebepfeiler
ganz; im Langhause sind sie, zum halben Achteck abgekantet, in den
Innenraum hineingezogen. Der Turm ist mit einem Walmdach ver-
sehen, dessen First parallel zur Querachse der Kirche läuft. Auf dem
Ostgiebel ist ein Kreuz aus Sandstein errichtet, dessen Arme durch
einen Kranz gekreuzt werden. Baustoff: Feldstein71. — Filialenbruch-
stücke aus Sandstein, wohl von einem Sakramentshäuschen, Spät-
mittelalter. Kanzel von 1588, aus Holz in einfachen Architektur-
formen, bemalt mit leidlich gut ausgeführten Darstellungen aus der
biblischen Geschichte und guten ornamentalen Verzierungen. Ge-
stühl mit aufgeklebten, durch Druck auf Papier hergestellten Orna-
menten aus der besten Zeit des XVI. Jahrh. Altaraufbau, in Spät-
renaissanceformen geschnitzt, 1661"72.
Ausführliche Beschreibungen der Kirche bringen die Visitations-
berichte von 1679 und 1687/88 (Jungnitz 277, 731). Sie enthalten
gegenüber den bisherigen Beschreibungen nicht viel Neues, so daß
ein Hinweis darauf genügen kann. Wir erfahren u. a., daß der
Kirchenheilige unbekannt ist, aber daß es vermutlich die Jungfrau
71 „Die alte Kirche mit dem Turm erhebt sich trutzig mit 2 m dicken
Mauern aus Feldsteinen. Bei Reparaturarbeiten schlug man wohl d e n Stein
entzwei, nicht aber den Mörtel" (Schulz). Lutsch hat sich bei Altersangaben
oft geirrt. Die alte Sprottauer (kath.) Pfarrkirche zeigt im ältesten Teil auch
Feldsteine als Baumaterial, während der Erweiterungsbau von 1416/24 be-
reits mit Ziegelsteinen ausgeführt wurde. Es ist daher — ausgehend vom
Baumaterial — anzunehmen, daß die Kirche R. schon vor 1400 erbaut wurde.
72 Hans Lutsch, Verzeichnis der Kunstdenkmäler d. Prov. Schles. III (1889)
S. 115.
55
und Märtyrerin St. Catharina sein dürfte, daß die Einwölbung der
Kirche 1508 geschah (s. o.), daß die Kirche fünf Fenster hatte, zwei
verschließbare Eingänge mit Vorhallen, die gewölbte Sakristei mit
einem großen Fenster, auf dem Turm drei Glocken.
Bei der Visitation vom 13. 1. 1670 erfahren wir, daß das Dach gut
mit Eichenschindeln gedeckt war, daß der steinerne Turm drei
Glocken und einen gangbaren „Seiger" hatte. „Ein schöner neuer
Altar, in der Mitte ein Cruzifix, unten Coena Domini gemalt, oben
die Auferstehung und adventus Christi ad judicium. Herr Hans Chri-
stoph von Knobelsdorff hat ihn bauen lassen. Die Bilder aus dem
alten Altar stehen in der Sakristei. Kirchweih ist den anderen Sonn-
tag nach Michaelis . . . Ein schönes Positiv ist allhier in der Kirche,
ganz neu, mit 10 Registern, kostet 264 Rtl. Hier ist ein neues wohl
erbautes Pfarrhaus mit drei Stuben und vielen Kammern. Ein katho-
lischer Schreiber ist hier; er hat ein gutes Schreiberhaus" (Steller, vgl.
Anm. 62).
Die Reihe der e v a n g e l i s c h e n P a s t o r e n seit 1744 ist gut
bekannt, da der Saganer Superintendent Worbs (Priebus) 1809 eine
Geschichte der evangelischen Prediger und Schullehrer im Fürstentum
Sagan herausgab und Schmaltz diese Reihe bis 1844 erweiterte.
Nach den Mitteilungen des letzten Pastors Damsch hat dann Julius
Rademacher in seiner „Predigergeschichte des Kreises Sprottau"
(Breslau 1933) die Pfarrer angegeben. Ein Exemplar dieser Schrift ist
in der Bücherei des deutschen Ostens in Herne vorhanden. Eine Ab-
schrift dieser Reihe nach Rademacher (aber auch nicht mehr!) wurde
im Heimatblatt 1961/10 S. 17 veröffentlicht. Es dürfte daher hier eine
einfache Zusammenstellung der Namen genügen.
1. Mag. Christian Gottfried K i e s e l (geb. 1701) 1744—1751, gest.
in Rückersdorf, Vakanz 1751—53. 2. Karl Christfried H e r r m a n n
1753—1787, gest. in Rückersdorf; Substitut 1777—87 war Nr. 3.
3. Johann David K i e s e l (geb. 1751 in Rückersdorf, Sohn von Nr. 1)
1777 bzw. 1787—1820. 4. Karl Gottlob S c h m a l t z (geb. 1792)
1820—1846. 5. Adolf S c h w a r z k o p f (geb. 1813) 1847—1856.
6. Oskar B a r c h e w i t z (geb. 1822) 1856—1859. 7. Georg S t e p h a n
(geb. 1830) 1859—1872. 8. Hugo F o l l g r a b e (geb. 1842) 1873—1877;
Vakanz 1877/80. 9. Adolf W e l s c h (geb. 1852) 1880—1891. 10. Wil-
helm P r z y r e m b e l (geb. 1865) 1891—1918. 11. Kurt D a m s c h
(geb. 1889) 1919—1945, gest. 1950 in Forst N. L.
Bei der Einführung von Pastor Kurt Damsch am 6. 4. 1919 erstrahlte
die Kirche zum erstenmal in elektrischer Beleuchtung. Zwischen der
56
Kirche und dem Gehöft des Kirchvorwerks, an der westlichen Seite
der Dorfstraße, stand das Pfarrhaus. Es wurde 1880 erbaut, hatte im
Erdgeschoß Küche und vier Zimmer, ferner zwei Zimmer unter dem
Dach73.
5. Die Schule
Die älteste Schule, die „Kirchschreiberei'' genannt, lag bis 1844 an-
der Stelle der späteren Niederschule, an der Straßenkreuzung gegen-
über der Kirche. Von den Schullehrern, die früher zugleich Kirchen-
schreiber und Organisten waren, ist uns als ältester George F i s c h e r
bekannt. Er starb 1637, wie die Grabplatte ausweist, die rechts neben
dem Eingang der Kirche eingemauert ist. Das Kirchenreduktions-
protokoll von 1668 nennt uns den Kirchschreiber Hans T a p p e r t .
Nach einer Inschrift an der alten Orgel hat er dieses Orgelwerk
erstmalig am Sonntag Cantate 1666 als Organist gespielt.
Im Januar 1670 war schon ein katholischer Schreiber im Dorf
(s. o.); sein Haus wurde als gut bezeichnet. Bei der Visitation von
1679 war der Schreiber mit seiner Wohnung zufrieden. Er erhielt u. a.
von der Kirche acht Scheffel Roggen, von der Bäckerei einen Scheffel
Roggen, im ganzen 138 Brote, hatte zwei Umgänge zu Neujahr und
St. Johannis (Jungnitz 277). 1688 hieß der Schullehrer C h r i s t o p h
H o f f m a n n ; er war in Liebau geboren und in Naumburg a. Q.
ausgebildet worden. Er hatte acht Schüler. Sein Haus war aus Fach-
werk, hatte einen heizbaren Raum und eine Kammer. Es war z.T.
mit Schindeln, z. T. mit Stroh gedeckt; beim Hause waren ein Stall-
gebäude und ein Garten (Jungnitz 733).
1742 erbaute die evangelische Gemeinde etwas oberhalb der
katholischen Schule — das später errichtete Bethaus kam daneben —
eine neue Schule. Das Haus war aus Fachwerk und sehr klein, so daß
1844 ein Neubau erforderlich wurde. Man benutzte die zwei Morgen
Land, mit der die Schule bei der Ablösung der Schafhutung hätte
73 Als 1934 die Herausgabe einer Ortsgeschichte von R. geplant wurde,
wollte Pastor Damsch die Geschichte der Kirche schreiben. Ob diese bis zu
einem Manuskript gediehen ist, ist unbekannt. Bei Hultsch, Silesia Sacra
(Düsseldorf 1953) S. 150, fehlt das Todesdatum. Der Verf. wandte sich an
die Witwe, konnte aber nur das Todesjahr 1950 als Auskunft erhalten, nicht
den Todestag des Pastors Damsch. Die Bitte, ggf. über das kirchl. Leben
in R. 1945 zu berichtet, wurde damit abgetan, daß sämtliche Erinnerungen
an R. „verschütt" gegangen sind.
57
dotiert werden sollen, zu einem Tausch gegen „das eigentliche alte
Schulgrundstück, die Kirchschreiberei genannt", aus der Gütermasse
der alten erloschenen Kirche. Auf diesem Eckgrundstück — gegenüber
der Kirche — wurde am 15. 4. 1844 der Grundstein zu einem neuen
Schulgebäude gelegt. Schon im Herbst 1844 stand das Haupt-
gebäude, ein Nebengebäude war noch im Bau (Schmaltz). Vermut-
lich erfolgte später ein Umbau; denn 1945 war die Schule in Rückers-
dorf dreiklassig. Über die 1846 erbaute Nebenschule wird weiter
unten berichtet. Im Jahre 1848 hatten beide Schulen in Rückersdorf
zusammen ca. 220 Schüler (Anders 608).
Die evangelischen Lehrer waren (nach Schmaltz 44): 1. Heinrich
Gottfried L i n k e , 4. 10. 1742—1746. 2. Johann Gottfried K r a u -
s c h ü t z 1746—178774. 3. Johann Gottfried H i l m e r 1774—1778,
später Kantor in Quaritz, gest. 1800. 4. Johann Christian V a l e n t i n ,
geb. Reichenbach Kr. Sagan, in Rückersdorf vom 5. 11. 1787 bis zu
seinem Tode 5. 11. 1825. 5. Johann Friedrich S c h n e i d e r , geb.
Quolsdorf bei Priebus, 5. 9. 1826 bis zu seinem Tode 7. 2. 1831.
6. Carl Heinrich N e u m a n n , geb. Ebersdorf bei Sprottau, 7. 4. 1831,
noch 1848. Als Nachfolger Neumanns wurden dem Verfasser ge-
nannt: Hentschel, Adam (um 1898), Penkuhn, Kühnel, Hoffmann. Am
1. 4. 1909 übernahm das Organistenamt Paul R ü c k e r (geb.
11. 3. 1889) und hatte es bis 1945 inne; er lebt 1962 in Eslohe bei
Meschede/Sauerland. Während seiner Kantorenzeit amtierten an
der Schule Lehrer Paul Werner (später in Kaltenbriesnitz) und Erich
Sell.
Die Gründung von Reußenfeldau in Ober-Rückersdorf rief neue
Schulprobleme hervor. Für die neun- bis zehnjährigen Kinder der
Kolonie unterblieb zunächst jeder Unterricht. Da begann um 1788 der
Scholze Samuel Rüdiger aus der Kolonie, Unterricht zu erteilen und
tat es 35 Jahre lang bis 1823. Nun verlangte die Behörde, daß die
Kinder der Kolonie nach Rückersdorf oder nach Großenborau zur
Schule gehen müßten. Schließlich erlaubte der damalige Super-
intendent Worbs, daß der Freihäusler Gottfried Fiedler den Unter-
richt erteilen dürfte. Er tat das 20 Jahre lang. Ende 1842 hatte
Reußenfeldau 16 Kinder, dagegen Rückersdorf 207 Kinder. Nun
wurde am 1. Mai 1845 eine Nebenschule im Oberdorf eingerichtet.
Das noch 1945 stehende Haus lag im Grasegarten des Scholzen
74 Die Gräfin Reuß brachte einen Schulmeister u. Organisten Krant-
schütz mit, dessen Vater (nach dem Kirchenbuch) Trompeter und Kunst-
pfeifer am Hofe Augusts des Starken gewesen war (Schulz).
58
Hoffmann (Grundsteinlegung 26. 3. 1846, Einweihung 12. 10. 1846;
nach Steller, Reußenfeldau). Der Lehrer an der Nebenschule galt
zuerst als Adjuvant und wurde vom Hauptlehrer in Rückersdorf
besoldet. Von 1845 bis nach 1848 war dies der Adjuvant Hoffmann.
Vor 1900 waren hier die Lehrer Flasky und Winkler tätig, von
1904—1922 Fritz Schubert, dann Ludwig, 1923—1938 Ernst Krause,
zuletzt Kießling.
6. Zwei Namenslisten von 1516 und 1700
I. Dresdner Landeshauptarchiv, Landsteuerregister 290, Bl. 310b bis
312a. S t e u e r v e r z e i c h n i s der Dörfer des Saganer und Naum-
burger Weichbildes des F. Sagan v o n 1 5 1 6 / 2 0 . Der Abdruck ist
wortgetreu. Aus Platzgründen wird die Liste hintereinander ab-
gedruckt. Die Zeile „vom gesinde 3 gr." steht im Original als beson-
dere Zeile unter dem Bauernnamen; hier wird sie, durch Komma
abgesetzt, hinter dem Namen angefügt. Gedankenstriche geben die
Trennung an. A b k ü r z u n g e n : m. = margk (Mark), wobei
1 Mark = 48 Groschen = 4 Schilling; gr. = Groschen, sch. = Schil-
linge; v. ges. = vom gesinde.
R u c k e r ß d o r f f . Scholczerey 3 m., v. ges. 5 gr. — Wentzel
Vtlanth 2½ m. — Ender Gerck 1 m. 16 gr. — Ender Pusch 6 sch. — En-
der Pole 1 m. — Valten Fechner 3 m. 16 gr., v. ges. 5 gr., vom hawß-
gnos 8 gr. — Steffan Gyrke 1 m., v. ges. 4 gr. — Ender Otte 3 m., v.
ges. 7 gr. — Jocoff Schmidt 6 sch., v. ges. 3 gr., hot 1 hawsgnossen 2
gr. — Nikel Eberth 2 m. 2½ gr. — Andres Czimvfel 1 m. — (Bl. 311a)
Arnolth 2½ m., v. ges. 7 gr. — Peter Rothe 2½ m., v. ges. 8 gr. — An-
dres Bock 5 m., v. ges. 5 gr. — Nickel Hoffeman 1 m. — Valten Forster
1 m., v. ges. 2 gr. — Ender Regger ½ m. — Lorentz Rewiger 2 m., v.
ges. 2 gr. — Jocoff Milamt (= Wieland) 2½ m., v. ges. 5 gr., hot
1 hawsgnos 8 gr. — Merten Rothe 2½ m., v. ges. 6½ gr. — Peter Rutsch
6 sch., hot 1 hawsgnos 2 gr. — Caspar Tscheller 3 m., v. ges. 4 gr. —
Thomas Rewiger 32 gr. — Hans Sommerreith 6 sch. — (Bl. 311b) Ma-
thes Eberth 6 sch., hot 1 maith 1 gr.—Steffan Schwartze 6 sch.—Balczer
Tschone 30 gr. — Hans Heyne gibit von 2½ huffe 5 m., von aller seiner
habe vnd vyhs 1 m. 16 gr., auch v. ges. 8 gr. — Anthonius Pusch 2 m.,
v. ges. 5 gr. — Hans Pusch 6 sch. — Merten Welant 6 sch., v. ges.
2 gr. — Pawel Lindeiner 6 sch. — Mathes Welant 1 m. 8 gr., v. ges.
2 gr. — Peter Tauch 1 m. — Vitzens Neller 3 m., v. ges. 2 gr. — Jocoff
Pusch 1 m. 16 gr. — Hans Schneider 6 sch. — Hans Hoffeman 2 m.,
v. ges. 1 gr. — (Bl. 312a) Jorge Wirther 1 m. — Simon Groman
59
3V2 m., v. ges. 3 gr. — Nickel Schneyder 32 gr. — Mates Floter, der
Kretschmer 2 m., v. ges. 2 gr. — Vlrich Hoffeman 6 sch., v. ges.
1½ gr. — Vlrich. Tzelingk 2 m. — Nickel Heder 2 m., von 1 meidt
1 gr. — Bartel Torgow 2 m., v. ges. 5 gr. — Hans Heine 2 m. 16 gr.,
v. ges. 7½ gr. — Simon Heydert 6 sch. — Steffan Voyth 40 gr. — Der
Schmidt ½ m. — Vrban Lybig, Hans Borras, hausgnoßen 16 gr. — Hans
Roller, Valten Rawtenstrauch, Jorge Spethe, sein gertner ½ m. —
Nickel Tzirke, des Junckern moller 16 gr. — Suma des dorffs XCVII
m. XIIII gr. (97 Mark 14 Gr.; jedoch ergibt die Nachrechnung 97 Mark
21 Gr.).
Der Häufigkeit nach erscheinen unter den 49 Bauernnamen: vier
Pusch, drei Hoffmann, je zweimal Ebert, Girke, Heider, Heine,
Rewiger, Rothe, Schneider, Wieland.
II. D e z e m r e g i s t e r v o n 1700. Wiedergabe nach G. Steller.
Die Bauern des Fürstentums Sagan um 1700 (Sonderdruck aus den
Mitarbeiternachrichten der Landesbauernschaft Schlesien, Bd. 5,
Goslar 1938, S. 40.) Die Namen hat der katholische Pfarrer nach dem
Vornamen alphabetisch geordnet (auch die Register der Schöffen-
bücher 1670 waren nach den Vornamen angeordnet); daher ist eine
Deutung nach der Flurkarte unmöglich. Die Zahlen geben die
Getreideabgabe (Korn und Hafer in gleicher Menge) in Viertel
(= ¼ Scheffel) an.
G r u n d h e r r : Georg Friedrich von Knobelsdorff — P f a r r e r :
Johannes Leopold Berndt. — Zwei Kirchgärtner Heinrich Härtel und
Michel Sebastian. — Der Pfarrer hat zwei Gärtner, die zur Widmut
gehören, nämlich Christoph Dittrich und Michel Riediger. — D e z e m :
Die Herrschaft von allen Vorwerken 87 — Balzer Hartel 4 — Christoph
Burckardt 3 — Caspar Flötter 9 — Caspar Sander 4½ — Christian
Bölgner 6 — Christoph Hartel 5 — Christoph Simon 5 — Christoph
Sanner 10 — Christoph Scholtz 6 — Christoph Mihl 5 — Friedrich
Fiedler 4 — Friedrich Hannßel 5 — Friedrich Gutsche 4 — Christoph
Großmann 4 — Friedrich Adam 5 — Friedrich Laube 4 — Friedrich
Seiffert 4½ — Friedrich Tschirschnitz 4 — George Hartel 4 — George
Linder 2 — George Lirsche 5 — George Seiffert 6 — Hans Abert
(= Ebert) 4 — Hans George Großmann 6 — Hans Hartel 5½ — Hans
Koßolky 2 — Hans Seiffert 4 — George Gutsche 6 — Hans Weyner
6 — Heinrich Abert (= Ebert) 4½ — Heinrich Bittner (= Beutner) 6 —
Heinrich Hannßel 5 — Heinrich Kilme (= Killmann) 4½ — Heinrich
Riediger 8 — Martin Schreiber 6 — Martin Seiffert 4 11/16 — Martin
Storch 4 — Michel Aberth (= Ebert) 4 — Michel Hannßel 2 — Sig-
60
mund Hanel 6 — Simon Valentin 3 — Christoph Schober zu Hergs-
dorff (Herwigsdorf) 1. Im ganzen 41 Bauern75.
75 Der Verf. hat 1934/35 die Gesch. sämtlicher Stellen in R. bearbeitet,
z. B. bei den Bauerngütern die Größe in Hufen, Morgen, Hektar (1660, 1865,
1934), die Namen der Besitzer von 1516, 1591, lückenlos ab 1650, Aufteilung
der einzelnen Stellen, Besonderheiten aus den Kaufbriefen, Rechte u. Pflich-
ten der einzelnen Stellen usw. Das Manuskript wurde 1944 im Stadtarchiv
Sprottau hinterlegt; es ist vermutl. dort noch vorhanden. Ein Aufsatz über
die Bauern in R. mit Namen von 1591, 1660 usw. erschien im Herbst 1934 (?)
in einer familienkundl. Beilage der Zeitschrift der Landwirtschaftskammer
Schles. mit 1 Forts. (vielleicht in der Deutschen Bücherei Leipzig vorhanden).
Die Gesch. der Stellen von Reußenfeldau sind in der in Anm. 48 genannten
Schrift enthalten.
Die Vorarbeiten über Rittergut R. führten zu Untersuchung der Nachbar-
dörfer. So konnte der Verf. im Frühjahr 1937 eine umfangreiche Arbeit „Die
Grundherrschaften v. Hertwigswaldau, Hirschfeldau, Klein-Kothau, Rückers-
dorf, Wachsdorf u. Wittgendorf im Kr. Sprottau bis zur Mitte des 18. Jahrh.
(Ein Beitrag zur Adels- u. Gutsgeschichte des F. Sagan)" abschließen. Die
Arbeit blieb ungedruckt u. ist jetzt verloren.
6 1
D o r f f l u r v o n R ü c k e r s d o r f
(Stand des Rittergutslandes um 1800)
Von den Nachbargemeinden gehörten bis 1932 Hirschfeldau und Hertwigs-
waldau zum Kr. Sagan, Herwigsdorf und Großenborau zum Kr. Freystadt,
Langheinersdorf, Hartau und Wittgendorf zum Kr. Sprottau (vor 1820 auch
Wittgendorf zum Kr. Sagan).
E r l ä u t e r u n g e n z u r n e b e n s t e h e n d e n K a r t e
Das Rittergutsland erstreckte sich von der Hirschfeldauer Grenze bis etwa
zur Kleinbahn. Die mit W e i n e r e i bezeichnete Feldmark gibt die drei
Bauerngüter an, die zwischen Schloßvorwerk und dem Viehweg lagen und
um 1620 ausgekauft wurden. Bei R e u ß e n f e l d a u bezeichnet die nörd-
liche Fläche (a) das Obererbe des Beckereivorwerkes, vermutlich vor 1600
das „kalte Vorwerk"; die südliche Fläche (b) ist die abgetretene halbe Hufe
des Böltner-Gutes.
B e d e u t u n g d e r Z a h l e n : Die Zahlen an den Feldwegen sollen auf
die letzten Besitzer (1945) hinweisen, die umkreisten Zahlen geben Flur-
namen an.
1 Adolf Ebert — 2 Paul Fiedler — 3 Artur Löthe — 4 Weg zur halben
Hufe von Schulz (6) — 5 Adolf Fiedler (väterl.; Fiedler seit 1669) — 6 Bern-
hard Schulz und Kurt Beutner — 7 Interessentenweg, führt zu den Wind-
mühlen von Erich Lange und Robert Lange — 8 Paul Steller und Interessen-
tenweg — 9 Adolf Fiedler — 10 Kurt Hensel — 11 Richard Kunert —
12 Bernhard Hoff mann — 13 Ewald Seifert — 14 Gerhard Seifert (hier Sei-
fert schon 1591) — 15 Fritz Pohlmann — 16 August Abke — 17 Ewald
Stenzel (Freibauer 1776) — 18 Herbert Liebs — 19 Kurt Hein — 20 Kurt
Krause (Restgut der Beckerei seit 1899) — 21 Emil Hoffmann — 22 Richard
Baier — 23 Oswald Baier — 24 Adolf Siegemund — 25 Agnes Tietze (Weiß)
26 Otto Menzel — 27 Robert Lange — 28 Wilhelm Preiß (seit 1696 Frei-
bauer) — 29 Kurt Beutner (sogen. „Tietzei") — 30 Ernst Pfuhl (letzter Bür-
germeister 1930/45) — 31 Paul Sander — 32 Reinhold Becker — 33 Erich
Jacob — 34 Otto Ebert (Ebert seit 1649) — 35 Kurt Heinze — 36 Otto Schulz
37 Paul Theiler — 38 Lina Kothe (das Großmann-Gut 1516—1917) — 39 Artur
Liebs — 40 Martin Weigel — 41 Fritz Beutner — 42 Kurt Gutsche (Gutsche
seit 1699).
F l u r n a m e n u n d D e n k s t e i n e : (1) Hockschar — (2) Rotbusch —
(3) Ölteich — (4) Igeljagd — (5) Schöpsberg — (6) Denkstein: Dem Erbauer
der Straße Fritz Maetschke; die Nachbarn — (7) Erbbegräbnis Franke —
(8) Girbigsbach, „Die Baache" — (9) Alte Saganer Straße — (10) Brennerei
des Rittergutes — (11) Mühlenweg oder Mühlsträßel, führt zu den 2 Wind-
mühlen — (12) Zwei Lange-Windmühlen — (13) Galgenberg — (14) Pfitze-
weg — (15) Denkstein mit Inschrift, daß die Kirchmühle Herwigsdorf das
Recht besitzt, auf diesem Wege Mahlgetreide anzufahren und Mehl abzu-
fahren, sonst Fahren verboten — (16) Schwarzbusch, gehörte früher zur
Beckerei — (17) Das Leder (gehört zum Gut Gerhard Seifert = 14); daher
heißt der Viehweg auch der Leder-Viehweg — (18) Pfarrviehweg oder
Wiedemuthweg — (19) Kühnberg oder Mühlberg; vgl. Anm. 9 — (20) Hin-
terweg — (21) Alte Straße.
(Herr Fritz Beutner, Benthe bei Hannover, hat den Verfasser bei der
Zusammenstellung der Namen der Besitzer und Flurnamen dankenswerter-
weise unterstützt.)
63org Steller: Rückersdorf Krs. Sprottau - georg_steller_-_rueckersdorf_kreis_sprottau.pdf




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